FYNN KLIEMANN – Interview

Foto-© Samuel Mindermann

Fynn Kliemann macht das, wovon viele nur träumen, schmeißt sich regelmäßig in neue Abenteuer und brütet ununterbrochen neue Ideen und Flausen aus. Seien es Podcasts, YouTube Videos…oder eben seine Musik! Heute erscheint sein drittes Album NUR, das sich aus Fynns persönlichen 15 Lieblingssongs der beiden Vorgänger NIE und POP zusammensetzt, die nun in völlig neuer Form daher kommen und einen noch tieferen Einblick ins musikalische Schaffen des Allround-Talents geben. Wir sprachen vorab mit ihm via Zoom – unser Interview!

Hey Fynn, wie gehts dir heute?
Super! Montag ist immer ein bisschen Chaos, da kommen alle und wollen irgendwas und irgendwelche wilden Sachen machen (lacht). Das Wochenende hinterlässt immer so viele Spuren bei allen Leuten, bei mir natürlich auch und dann wacht man montags auf und denkt sich „Heute werde ich mein Leben verändern!“, und diese Einstellung poltert dann in Form von Millionen E-Mails auf mich ein (lacht). Dann muss ich mich Montag immer um alles gleichzeitig kümmern. Aber trotzdem alles gut!

Sehr gut! Hast du denn überhaupt Wochenende, oder hast du, wie das bei Internetpersönlichkeiten halt so ist, nie so richtig frei?
Weder noch! Ich mache halt immer was, aber ich glaube, alle machen immer was, nur dass die „Internetpersönlichkeiten“, die im Internet jeden ihrer Schritte zeigen, das halt ihren Job nennen, dann sieht es immer so aus, als ob die richtig ranklotzen würden (lacht). Ich mache auch am Wochenende was, aber eben das, was ich cool finde, deswegen ist das auch nicht wirklich ein Job.

Wie waren denn die letzten zwei Jahre für dich und was hat sich da vielleicht auch musikalisch bei dir verändert?
Ey, musikalisch hat sich nur eine Sache bei mir verändert, und zwar, dass ich irgendwie total wenig Musik gemacht habe. Das macht mir voll Angst, deswegen muss ich auch nächstes Jahr was verändern, weil ich es irgendwie geschafft habe, meine einzige Passion der Entspannung, nämlich das Musik machen am Abend auch noch gegen Arbeit zu tauschen. Oder eben gegen das, was ich Arbeit nenne. Und jetzt habe ich gar nichts mehr (lacht). Das ist auf jeden Fall ganz beängstigend. Das kam durch Corona, weil ich dadurch viel weniger relaxed habe und noch mehr Sachen gemacht habe. Wir haben diese Doku gemacht, also meine eigene, aber auch die Netflix-Doku und das alles während Corona. Ich würde sagen 80% der größten Errungenschaften meines Lebens, also auch was Preise und so angeht, sind, während Corona passiert.

Nächste Woche erscheint ja dein neues Album Nur, wie kam es dazu, dass du jetzt quasi schon den Schritt zum Best Of-Album gemacht hast?
Ich sehe es weniger als Album und mehr als Projekt! Das ist alles entstanden, weil ich auf Instagram Storys geschaut habe, und da lief eine Melodie, die sich richtig geil angehört hat, ich habe gedacht, das wäre von Disney oder so. Und dann habe ich gesehen, dass das ein Cover von Niklas Strauß ist, und zwar von meinem Song (lacht)! Das war einfach mein eigener Song, aber halt auf dem Klavier und die Melodie hat sich total geil angehört! Ich habe das dann auch Franzi gezeigt und die meinte auch, dass sich das viel besser als meine Version anhört (lacht). Da wusste ich, dass ich back to the Roots muss, weil so ja auch eigentlich immer meine Songs klingen, wenn ich sie das erste Mal am Klavier spiele. Das ist weniger ein Album, mit dem ich mich selbst ehre, als dass ich mal hören wollte, wie die Songs auch klingen könnten. Es war superspannend für mich selbst, sowohl der Elektrokram als auch die Klavierstücke sind ja super experimentell. Vor fünf Jahren wäre ich vor so was weggelaufen (lacht).

Ja, vor allem beides zusammen auf einer Platte ist ja auch noch mal experimentell! Diese A und B Seiten bewegen sich ja an zwei komplett verschiedenen Seiten des Spektrums.
Voll! Aber genau das fand ich daran so spannend. Jede:r kennt das ja, dass man oft total verschiedene Sachen mag, obwohl man eine einzelne Person ist. Nicht jeder Song muss so sein, aber Interpretationen sind ja dafür da, um aus diesem allgemeinen Denken von einem Bereich herauszukommen und das ein bisschen größer anzusehen. Deswegen gibt’s das! Auch für mich selbst, weil es voll die Ehre ist, dass andere Künstler:innen Remixe für mich machen.

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Wie hast du dann im Endeffekt entschieden, welche Songs auf das Album kommen? Sind das Songs, die besonders gut zu remixen waren, oder deine eigenen Favorites oder vielleicht auch Fan-Favorites?
Ne, dann hätte man ja klassischerweise auch Zuhause oder so gemacht, aber das habe ich bewusst gar nicht. Man muss vor allem bei Pianostücken schauen, welche überhaupt funktionieren, weil da ja auch die Vocalspur mit instrumentalisiert wird. Bei mir ist immer alles sehr monoton, ich singe und rappe eigentlich immer im gleichen Ton, aber das funktioniert als Instrumental überhaupt nicht (lacht). Ich habe für die Pianoseite ungefähr zehn Stücke vorgeschlagen, die viele kleine Melodien drin haben, die in der Gesamtproduktion untergegangen sind, die man jetzt aber hervorheben kann. Für die Remixe habe ich das total frei gelassen, ich habe Leuten, die ich cool finde, meine Lieder geschickt und die gefragt, ob sie Bock darauf hätten. Da kann man gar nichts vorgeben, ich habe nur gesagt, dass es gerne laut, experimentell und heftig sein darf, aber den Rest haben die sich dann selbst ausgedacht.

Du hast ja vor allem bei deinem Album Pop sehr viel Wert daraufgelegt, dass die Songs in einer bestimmten Reihenfolge gehört werden, weil sie ineinander übergehen. War es jetzt schwierig, da einzelne Songs rauszuziehen und diesen Effekt somit wegzulassen?
Bei der Pianoversion haben wir da wieder hingearbeitet und Übergänge erschaffen. Aber auf der Remixseite ging das gar nicht, weil ich dann in das Handwerk von den anderen gepfuscht hätte. Das Coole ist ja, dass man denen den Song gibt und die was Neues draus zaubern, wenn man dann ran geht und alles verändert, dann ist das disrespektvoll gegenüber den Künstler:innen (lacht).

Du hast ja gerade schon erwähnt, dass du dir für das Album andere Künstler:innen an Bord geholt hast – was waren da deine Kriterien?
Leute, die ich krass finde (lacht). Da waren noch viel mehr bei, es haben noch viel mehr Leute Remixe gebaut, aber am Ende habe ich versucht, aus den Ergebnissen eine runde Mischung zu machen. Ich hatte Platz für fünf bis sieben Songs, alle waren cool und besonders, aber die sechs, die jetzt drauf sind, ergeben ein Gesamtwerk. Es sind auch ein paar nicht mit drauf, die auch von krassen Leuten gemacht wurden. Aber die Leute habe ich ausgewählt, weil sie meiner Meinung nach heftiger Mukke und ausgefallene Sachen machen. Von den Leuten bin ja sogar einer ich selbst (lacht). Den Remix von Der Mann und das Meer, habe ich selbst gemacht, weil ich den an so viele Leute geschickt haben und alle gesagt haben, dass das nicht geht, dass man den nicht remixen kann. Dann habe ich es selbst gemacht und gemerkt, dass es geht. Der Song ist nur der Beweis an mein eigenes Ego, dass es doch geht (lacht).

Fällt es dir teilweise auch schwer, die Kontrolle abzugeben und deine Songs an andere Leute zu geben?
Für mich war es neu, weil man alles komplett abgibt. Die Leute haben nicht für mich produziert, sondern einen Remix von meiner Musik gemacht, das ist schon ein großer Unterschied. Es war schon schwierig, in den Kopf zu bekommen, dass ich nicht entscheide, was genau dabei rauskommt. Bei manchen Sachen ist es dann so, dass man glücklicherweise am Ende eine Version gefunden hat, mit der beide happy sind. Aber es ist natürlich immer ein Schuss ins Blaue. Deswegen habe ich auch Künstler:innen ausgewählt, die bisher nur gute Sachen gemacht haben. Wenn ich reinfummeln würde, wäre es eine Auftragsarbeit und kein richtiger Remix mehr.

Du meintest ja gerade schon, dass dabei eigentlich noch viel mehr Songs entstanden sind – planst du, diese Songs irgendwann noch mal separat rauszubringen?
Das weiß ich auch noch nicht so genau. Es waren schon coole Sachen dabei, aber die passen konzeptionell nicht so rein. Die Auswahl der Ergebnisse ist das Schwierigste, bezogen auf jede Kunstform der Welt! Irgendwas machen, das kann jeder, aber diese Auswahl, die entscheidet über die Qualität. In der Filmwelt sagt man ja auch „Kill Your Darlings“. Wenn man also Sachen rausschmeißt, hat das ja einen Grund und das dann trotzdem irgendwann zu veröffentlichen, macht das Konzept und die Qualität im Endeffekt kaputt.
Auf der anderen Seite muss man bedenken, was die Entscheidung für diese Selektion war, wenn es nur das Zusammenspiel war, dann können die einzelnen Sachen vielleicht doch noch mal funktionieren. Aber jetzt gerade sehe ich das nicht, weil das Aufarbeiten von den alten Sachen auch irgendwann mal gut ist. Ich habe das jetzt mal gemacht, das war total cool und ich wollte das mit allen teilen, ich finde das Ergebnis super, aber dann muss auch mal neue Musik passieren.

Das Artwork des Albums unterscheidet sich auch sehr von den anderen beiden – wie gehst du das an? Hast du das schon im Kopf, während du an der Platte arbeitest, oder kommt das erst später?
Während ich ein Album mache, weiß ich gar nicht, wie es ist, wenn es fertig ist, das weiß ich erst am Ende. Das heißt, ich warte ab, bis alles an Musik fertig ist und setze mich dann ans Artwork. Ich finde Albumkonzeption und abgeschlossene Sachen geil und ich finde es geil, wenn sich jemand das von vorne bis hinten anhört. Dann muss es aber auch eine abgeschlossene Sache sein. Das Album heißt Nur weil es eben nur noch die Basis ist, wir haben alles auf die Essenzen reduziert. So muss dann aber natürlich auch das Artwork aussehen, das heißt, wir haben weißes, ungefärbtes Papier genommen und viele Bereiche frei gelassen. Das ganze Layout von der Vinyl sieht ja auch aus wie eine unfertige Skizze. Laut und Leise ist das Thema des Albums, deshalb haben wir die Vinyl gelb und transparent gemacht. Das ganze Konzept macht keinen Sinn, wenn man sich das vorher ausdenkt und die Mukke am Ende gar nicht dazu passt.

Du hast ja bis jetzt gefühlt nach jedem Album gesagt, dass es das jetzt war und dass du das nie wieder machst, weil es viel zu stressig, meinst du das wird jetzt dieses Mal wirklich so sein, oder kommt da noch was?
Nein, das habe ich nach dem ersten Album schon mehr oder weniger aufgegeben (lacht). Da habe ich das gesagt, weil es so stressig war und ich mich daran erinnert habe, was alles schlecht gelaufen ist. Aber dann ging ein Jahr ins Land und ich habe gedacht, dass ich ja eh Musik mache, ob ich sie veröffentliche oder nicht. Und dann habe ich überlegt, ob der ganze Vertrieb wirklich so schlimm war, wie ich es in Erinnerung habe und bin zu dem Schluss gekommen, dass ich ja jetzt schon weiß, wie es geht und es daher viel schneller geht. Ich habe mir das total schöngeredet (lacht). Das ist glaube ich so, wie wenn Leute ein zweites Kind bekommen, weil sie vergessen haben wie anstrengend es bei dem Ersten war (lacht). Im Jetzt ist Negativität alles, ein negativer Kommentar überwiegt 1000 positive Kommentare, aber mit dem Abschluss von einer Sache überwiegt langfristig nur noch das Gute. Das ist super beruhigend, weil Negativität langfristig irrelevant wird. Das ist aber auch genau der Grund, warum ich das immer wieder mache. Aber dann habe ich ja glücklicherweise ein Gewissen, namens meiner Freundin, die dann sagt „Alter hau ab, willst du mich verarschen ey?“ (lacht).

Arbeitest du denn jetzt schon wieder an neuer Musik?
Ey, überhaupt gar nicht! Das ist wie gesagt auch die Sache, wegen der ich, auf mein Leben bezogen was verändern will. Das kenne ich so überhaupt nicht, weil ich sonst jeden Abend nach einem stressigen Tag im Studio saß und Mukke gemacht habe. Das habe ich total geraucht, wenn ich das nicht gemacht habe, dann konnte ich nicht schlafen. Aber jetzt bin ich vom generellen Tag so erschöpft, dass ich abends auf keinen Fall noch ins Studio will. Das ist total schlecht, weil ich es wieder haben will, dass ich das brauche. Das Projekt war jetzt einfacher für mich, weil ich dirigieren musste und nicht schaffen.

Hast du denn sonst irgendwelche Pläne für das kommende Jahr?
Ein wichtiger Plan ist, dass ich für ein paar Monate nach Frankreich abhauen werde! Ich war zehn Jahre nicht weg und hab immer und immer mehr gearbeitet, ich komme selbst nicht mehr hinterher und muss jetzt einmal raus, um ein bisschen zu malen und Mukke zu machen. Ich suche in Frankreich gerade eine Bude und haue dann erstmal ab. Ich habe festgestellt, dass ich immer am effektivsten bin, wenn ich nix zu tun habe. Also in Form von Ideen und neuen Sachen. Jetzt gerade bin ich in einem Verwaltungszyklus gefangen und die Platte ist ein coller Ausweg daraus.

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Emely Triebwasser

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