LAURA LEE AND THE JETTES – Interview

Foto-© Portraits Hella Wittenberg / Live Paula Hornickel

Laura Lee & the Jettes veröffentlichten ihr Debütalbum Wasteland am 3. Dezember via Duchess Box Records. Auch als eine Hälfte der Indieband GURR bekannt, hat Laura Lee die freie Zeit in der Pandemie dazu genutzt, zusammen mit ihrer Backingband the Jettes an ihrem Solodebüt zu feilen. Entstanden ist ein Rockalbum, das Einflüsse von Krautrock und 90s-Alternative-Sounds in die heutige Zeit holt.

Wir haben mit Laura Lee Ende November via Zoom gesprochen. Im Interview spricht sie über ihren Neuanfang nach 8 Jahren GURR, was die Platte mit Berlin zu tun hat und warum Rockmusik eine vielfältige und moderne Perspektive braucht. Außerdem erfahren wir, wie die Zusammenarbeit mit ihrer Band und dem Produzenten Max Rieger (Die Nerven) lief, wie sich ihr neuer Sound von GURR abgrenzt und warum sie bei Teamarbeit kein Interesse an Micromanagement hat.

Herzlichen Glückwunsch zum tollen neuen Album! Wie fühlt sich ein Debüt nach acht Jahren im Musikgeschäft an?
Jede Veröffentlichung ist immer wieder aufregend. Es ist nicht so, dass man das Gefühl hat, man hätte schon ein Standing und ist dadurch abgebrüht. Denn damit kommt auch die Angst, es zu verkacken. Beim ersten Schlag am Anfang kann man nur gewinnen. Jetzt kann man plötzlich auch verlieren, das ist natürlich scary. Es ist immer noch aufregend, aber zumindest weiß ich jetzt schon, dass diese ganzen Gefühle kommen und okay sind. Ich habe aber keine Medizin, wie sie weg gehen.

Es ist ja auch schön, wenn man die Arbeit endlich zeigen kann. Die Platte ist schon eine Weile fertig, wie fühlt es sich an, wenn der Arbeitsdruck weg ist, aber man warten muss, um das Ergebnis wirklich teilen zu können?
Wir haben das Album im März und April aufgenommen, dann gemischt und dann kamen auch schon die Singles raus. Diese Zeit dazwischen war nicht lang. Darüber bin ich jetzt total froh, weil sich eben nicht das Gefühl der Entfremdung vom eigenen Werk eingestellt hat. Daher fühlt sich das alles gerade noch sehr frisch und die Themen auch noch pressend an. Außerdem hat sich in der Zeit die Welt auch nicht so stark verändert. Wir stehen jetzt schon wieder in einer Coronawelle und es gibt das Gefühl von Weltuntergang.

Das Album wurde teilweise im Funkhaus Berlin aufgenommen, ihr lebt alle in Berlin, die Releaseparty ist im Berliner Club Lido. Ist Wasteland auch eine Berlinplatte?
Es ist eine Platte des neuen Berlins und des internationalen Berlins: Unsere Schlagzeugerin ist aus Australien, der Bassist aus der Dominikanischen Republik, der Gitarrist aus Washington. Das ist das Besondere an Berlin, dass sich hier Menschen von ganz unterschiedlicher Herkunft und aus unterschiedlichen Ländern treffen, die dann ähnliche Biografien haben. Nicht im Sinne von sozioökonomischem oder kulturellem Background, aber wir sind doch alle ähnlich groß geworden. Wir haben so mit 14 Indie oder Rockmusik entdeckt und wussten, wir wollen nichts anderes machen. So haben wir hier eine Art „comradery“, was sich auf der Platte niederschlägt. Es ist nicht mehr dieses isolierte Berlin mit der Mauer, es ist ein ganz weltoffenes, internationales Berlin.

Diese gemeinsame Sozialisierung über Rockmusik hört man dem Album auch an. Dein Name fällt oft, wenn es um die Modernisierung von Rockmusik geht. Was macht für dich moderne Rockmusik aus?
Ich habe letztens ein Video geschaut, in dem gesagt wurde: „Women save rock music“. Warpaint zum Beispiel ist eine Band, die eine neue Ära eingeschlagen hat. Vorher hat sich alles in zu gleichen Szenen abgespielt. Das muss sich nicht nur auf das Geschlecht, sondern kann sich auch auf die Hautfarbe und Herkunft und alles andere beziehen. In zu gleichen Szenen wird es irgendwann langweilig und kompetitiv. Es gibt dann einen Code: So werden die Dinge gemacht, so werden Platten produziert, so wird die Gitarre aufgenommen, so werden Effekte produziert. Man braucht diesen Blick von außen und eine diverse Gruppe, die Sachen in Frage stellt und auch neu macht. So ist immer gute Musik entstanden. Ich identifiziere mich damit. Ich werde aggressiv, wenn jemand sagt: „So wird es gemacht!“ Ich finde, es gibt kein richtig oder falsch in der Musik, beim Songwriting oder bei Aufnahmetechniken. Das ist eine Facette des Neuen. Aber es sind auch die Leute, die sie machen. In unserer Musik hört man die Referenzen zu Krautrock oder zum 90er-Grunge-Alternative-Sound und so weiter, aber die Leute, die es machen, sind einfach anders. Es gibt nicht viele Krautrockbands mit einer weiblichen Stimme. Unsere Band ist diverser. Das unterscheidet uns. Auch von den Texten hat man eine Perspektive von Menschen, die sonst nicht so gehört wurden.

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Neben diesem modernen Ansatz, der Bekanntes in neue Blickwinkel rückt, empfinde ich das Album aber auch als zeitlos. Es gibt, wie du sagst, viele Bezüge auf klassischen Krautrock, auf die Rockmusik der 1990er. Mir würde es schwer fallen, das Album ohne Kontext zu datieren. War das Absicht?
Was häufig Aufschluss über das Entstehen eines Albums gibt, ist die Aufnahmetechnik. Wir wollten einen modernen Sound kreieren, kein Vintage-Retro-Album auf Tape, wie wir es bei GURR beim ersten Album gemacht haben. Wir haben uns schon bewusst mit Max Rieger, der uns produziert hat, entschieden, das Album digital aufzunehmen und von den technischen Möglichkeiten zu profitieren. Daran erkennt man, dass es kein 90er-Album ist. Die finden sich eher in Gitarrensounds oder manchen Songstrukturen. Aber die Leute, die damals diese Musik geschrieben haben, hatten natürlich nicht Cardy B. gehört oder gehört, dass es das gibt. Man schreibt Songs wie sie sind, weil man in einer bestimmten Zeit lebt.

Dieser Aufbruch und der Wunsch nach einem neuen Sound – waren das auch die Gründe für die Soloplatte? Kam das durch die Zwangspause durch Corona oder hat es schon länger in dir geschwelt?
Andrea und ich waren acht Jahre zusammen in einer Band und haben zusammen Musik gemacht. Ich kann nur für mich sprechen, aber wir hatten schon Lust darauf, etwas Eigenes zu machen, wo man sich nicht immer mit einer Person, deren Meinung man natürlich auch schon so gut kennt, abstimmen muss. Ich hatte total Lust, auch mal mit anderen Leuten Musik zu machen und zu schreiben. Ich habe so viel von Andrea gelernt: im Songwriting, von ihrem Selbstbewusstsein auf der Bühne… Wir hatten so eine prägende Zeit in unseren 20ern zusammen. Sie war die erste Frau, die ich kennengelernt habe, die das gleiche machen wollte wie ich. Das war super wichtig und cool. Aber man hört jetzt in unserer jeweiligen Solomusik, worauf wir gerade Lust haben und dass das ein bisschen inkompatibel ist. Vielleicht fragt man sich aber auch als Fan – ich frage es mich auch – wenn diese beiden Welten wieder aufeinandertreffen, dann wäre es halt GURR. Ich habe schon immer einen Gitarrenrockfokus gehabt und würde mich nie wohl dabei fühlen, elektronische Musik oder Popmusik zu machen. Da fühle ich mich nicht zuhause, das fühlt sich nicht authentisch an. Sie hatte Lust, das einmal weiter zu treiben und ich hatte Lust, meine Sachen ins Extreme zu treiben, weil man sonst in einer Gruppe natürlich immer Kompromisse machen muss. Ich hatte jetzt das Glück in der Band mit Leuten zusammenzuarbeiten, die mir freie Hand gelassen oder mich sogar befeuert haben.

Mit Max Rieger, der das Album produziert hat, habt ihr ja mit GURR schon bei der Single Beetlebum zusammengearbeitet. Es war mit ihm also kein komplett neuer Aufbruch, hattest du da auch Bedenken?
Max hat die Single damals nur gemischt. Ich habe auch mit ihm geredet und er geht schon anders an die Sache ran, wenn er ein ganzes Album produziert. Er ist bis zur Trackliste dabei. Beim Mischen sind ja viele Entscheidungen schon getroffen und man macht aus dem, was da ist, das Beste. Ich hatte schon Bock, ihn viel mehr zu involvieren – dass ich ihm die Demos zeige und er sagt: „Mach da was, geh in die Richtung, probier‘ das mal aus, mach den Song schneller, mach ihn langsamer…“ Sodass er schon früh immer etwas dazu gesagt hat. Es war dadurch etwas Neues. Und ganz ins kalte Wasser mit Leuten zu springen, kann auch manchmal fatal sein. Ich fand gut, dass er hier war und mal vorbeikommen konnte zum Bier trinken und Demos hören, ohne dass es gleich ein riesiger Akt ist.

Wie lief es dann mit der Band ab? Hast du die Songs nach den Sessions mit Max Rieger zur Band gebracht und weiterentwickelt oder habt ihr auch früh zusammen an den Stücken geschrieben?
Mein ursprünglicher Plan war, dass wir mehr zusammen schreiben. Dann kam es zu der Situation, dass es gefährlich war, mit vier Leuten in einem Raum zu sein. Dadurch kam es dann dazu, dass ich die Songs viel weiter vorbereiten musste als ich ursprünglich wollte. Ihre Rolle war dann sehr unterschiedlich. Einige Songs hatte ich schon fertig. Ich spiele ja auch Schlagzeug, Bass und Gitarre und hatte schon für alle Spuren eine Idee und sie reißen das dann natürlich noch ab. Bei anderen Sachen war es so, dass ich nicht weitergekommen bin und dann wurde es auch spannend, wenn sie reingekommen sind. Sie sind alle sehr relaxed und haben ihre eigenen Projekte, sodass sie nicht so egogeladen in diese Geschichte rein gegangen sind, was sehr angenehm ist. Deshalb sind sie immer froh, aufzufüllen, was gerade gebraucht wird, aber sich auch nicht jedem Song aufzudrängen. Wir haben da eine gute Abmachung, sodass sie sich trotzdem wertgeschätzt fühlen. Hoffe ich zumindest.

Es wurden drei Singles vorveröffentlicht – eine davon aus Deutsch. Wie wählst du die aus?
Ich wähle die Singles gar nicht aus, ich gebe das komplett an mein Label ab. Ich sehe das ein bisschen getrennt. Wir haben mit Grant vom Label schon lange zusammengearbeitet und ich vertraue ihm. Ich versuche, in meinem Team immer nicht zu sehr zu micromanagen. Ich glaube, jeder hat mehr Spaß an seiner Arbeit und macht das, was er macht, auch richtig gut, wenn er selber die Entscheidung treffen kann und ich nicht jeden Hut aufhabe. Ich wusste nicht, was auf diesem Album Singles sind und was nicht. Ich kann diesen Außenblick auch nicht haben. Wenn ich ausgewählt hätte, wären wahrscheinlich Daylight, High Up und Heavy eine Single gewesen. Vielleicht auch Craigslist Boy. Den Song habe ich schon ein bisschen gepusht. Das war mir einer der wichtigsten. Aber es war seine Entscheidung und teilweise auch zum Unmut von Max Rieger. Alle hatten eine starke Single-Meinung. Aber auch das Label macht die beste Arbeit, wenn sie davon überzeugt sind. Dann ist ist es manchmal gar nicht so wichtig, dass es der beste Song ist, solange sie davon überzeugt sind. Auch bei Caterpillar dachte ich erst einmal: „Warum?“ Das ist der oddeste Song überhaupt – auch vom Songwriting her. Er hat keinen Chorus, er ist nur eine Bassline, er schichtet sich auf, aber er ist kein Hit im Konventionellen. Aber er war richtig davon überzeugt, weil er etwas in ihm gesehen hat und jetzt ist es der best performing song bei spotify. Ich weiß nicht, ob es eine selbsterfüllende Prophezeiung ist oder ob wir als Künstler, also auch Max Rieger, einfach zu nah dran sind und den Blick von außen nicht mehr einnehmen können.

 

Das Album steht kurz vor der Veröffentlichung, die Singles sind raus, ihr habt schon einige Live-Shows gespielt… Was ist eigentlich deine Lieblingsphase in so einem Albumzyklus und war die schon oder kommt die noch?
Ich mag schon den Prozess des Schreibens gerne. Im Moment schreibe ich gar nicht und muss wieder den Anfang finden – wie vor jedem Album. Dass man anfängt und man hat eine Idee und verliert sich so darin, dass vier Stunden vergehen, und man hat es nicht gemerkt – dieses Gefühl habe ich nicht oft und ich bekomme es nur beim Musik machen. Es ist wie ein High. Das ist eine meiner Lieblingsphasen. Dann aber auch dieses Gefühl, das in die Band zu bringen und zum ersten Mal zu hören, wie sie den Song spielen und er plötzlich real wird. Jedes Mal, wenn ich von der Probe gekommen bin und einen neuen Song mitgebracht hatte, den sie dann gespielt haben, war ich richtig emotional. Dass die Band mit ihrer Genauigkeit und ihrer Leidenschaft meiner Idee folgt, empfinde ich als das höchste Kompliment. Vor allem, wenn jemand seine Idee noch mit hineinbringt. Und wenn du es dann irgendwann auf der Bühne spielst mit Leuten, die die ganze Geschichte wissen, und dir dann Blicke zuwirfst, das ist natürlich auch ein mega geiles Gefühl. Es ist schon alles ein bisschen.

Vielen Dank für das Interview!

Laura Lee And The Jettes Tour:
30.03.22 Köln – Bumann & Sohn
31.03.22 Stuttgart – ClubCANN
01.04.22 Darmstadt – Oettinger Villa
02.04.22 Hamburg – Molotow Skybar
03.04.22 Oldenburg – Umbaubar
05.04.22 Mainz – Schon Schön
06.04.22 Nürnberg – MUZclub
07.04.22 München – Sunny Red
08.04.22 Karlsruhe – Kohi
10.04.22 Berlin – Badehaus
11.04.22 Leipzig – Naumanns
12.04.22 Dresden – Ostpol

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