MIDLAKE – For The Sake Of Bethel Woods


Foto-© Barbara FG

I could get rid of it all
For the sake of the bethel woods
To a time and a place
Where peacefulness once stood
Gather the women and children
Leave our homes and our buildings
I’ve been ready for years now
Planted my seeds in the ground
Gather your courage and pillars
Leave what’s become familiar
I’ve been ready for years now
Planted my seeds in the ground

(Midlake – Bethel Woods)

Fast 9 Jahre ist es her, seit Midlake ihr letztes Album veröffentlicht haben. Am 18.3. ist es endlich soweit und der neue Longplayer von den Texanern rund um Leadsänger Eric Pulido erscheint, mit dem geheimnisvollen Titel For The Sake Of Bethel Woods. Die Fans der Indie-Gruppe mussten sich also lange in Geduld üben: 2006 kam The Trials Of Van Occupanther raus, mit dem sie sich schnell einen Namen machten als Wunderkinder der Folk-Szene. Das Album entführte die Hörer*innen in eine ganz eigene Welt, introspektiv, mystisch und verträumt, zeitlos, auf anrührende Weise ernsthaft und entrückt, der perfekte Soundtrack für einen nachdenklichen Spaziergang im Herbstwald. Die mehrstimmigen Harmonien, der gitarrengetragene Sound, unterstützt von Klavier, Geige und Flöte, und die lyrischen Themen von der Sehnsucht nach Unschuld und der Rückkehr zur Natur wurden zu den Markenzeichen der Band. 2010 verließ Leadsänger Tim Smith die Gruppe und Pulido wurde sein Nachfolger. Nach dem 2013 erschienenen Antiphon gingen sie getrennte Wege, um sich anderen Projekten zu widmen.

Dann starb 2018 der Vater des Keyboarders Jesse Chandler und erschien ihm wenig später in einem Traum, in dem er ihn aufforderte, die Band wieder zusammenzubringen. Genau diese Gefühle von dem Verlust des Vergangenen und Sehnsucht, aber auch Rückkehr, Hoffnung und Wieder-zusammenfinden bilden das thematische und lyrische Rückgrat von For The Sake Of Bethel Woods. So schmückt auch ein Foto des Vaters das Cover, auf dem er als Jugendlicher beim Woodstock in der Menge sitzt und einer Band lauscht, und der Titel verweist auf die Felder namens Bethel Woods, auf denen das Festival stattfand. Dementsprechend klingen in den Liedern auch Erinnerungen an den Folk-Rock der 60er und 70er an, eine gewisse Wärme und schöne Melancholie, Nostalgie und die Magie des Vergänglichen.

Das Album eröffnet mit dem emotionsgeladenen Commune, das wie ein Meta-Kommentar für die Fans wirkt, wenn Pulido beschwörend singt: “I’ve been away now far too long / Lost and alone with no commune”, unterlegt mit dichtem Neofolk-Gitarren-Sound.

Der Titelsong Bethel Woods bezieht sich auf den Tod des Vaters und spricht deutlich von Verlust, Aufbruch und Veränderung. Der Beat ist schneller und treibender, als man es von Midlake kennt; hier spürt man, dass sich die Band weiterentwickelt hat und das Album düsterer und weniger unschuldig als Van Occupanther werden wird, auch wenn die Harmonien, kraftvollen Piano-Klänge und die melancholische Gitarren-Basis immer noch typisch nach Midlake klingen. Meanwhile erzählt von der Zeit, in der die Band eine Pause einlegte, und beschwört feierlich die Rückkehr und das schöne Wachstum, das aus Unterbrechungen und Pausen hervorgehen kann. Der Psychedelic-Folk-Song ist beschwingt und trippy und weckt in seiner Abgehobenheit Assoziationen zu den Flaming Lips, vom Melodieverlauf und der Grundstimmung her aber auch zu Fleetwood Mac und ihrem herbstlichen Folk-Rock.

Solche Brücken zwischen Alt und Neu, zwischen verschiedensten Einflüssen schlägt die Band gekonnt: Zwar gibt es Songs, die auf den ersten Blick überhaupt nicht wie Midlake klingen, z.B. das experimentelle Glistening mit seinen smoothen Trap-Akkorden oder Exile, das sich durch seine Electro-Drone-Sphäre nach Bloc Party anfühlt. Aber immer brechen typische Midlake-Akzente durch, die das Ganze unkonventionell und bezaubernd eigensinnig machen, wie Flötenklänge, wortreiche und mit lyrischen Anspielungen gespickte Lyrics und verträumte Harmonien.

Am besten illustriert wird das beim Höhepunkt der Platte, dem schwelgerischen Feast Of Carrion, das mit seinem Drum Rhythmus, einer unschuldigen Melodie und wehmütiger Stimmung sehr an Neil Young in der Harvest-Periode erinnert, durch seine düsteren Untertöne aber auch an den Pink Floyd-Klassiker Comfortably Numb.

The Trials Of Van Occupanther hat die Messlatte sehr hoch gelegt – auf diesem Album wird die Band ihr auf ganzer Linie gerecht. Es wird angeknüpft, aber nicht kopiert; die Platte wird sich für Fans wie eine Heimkehr anfühlen, bietet aber trotz aller Vertrautheit Experimentierfreude und Weiterentwicklungen. Das macht For The Sake Of Bethel Woods spannend. Es bewahrt die speziellen Midlake-Eigenheiten, für die die Fans sie lieben: Ein weltverlorener, zeitloser Sound, der ergreifend ist, ohne je in Schwermut abzudriften, und in eine ganz eigene, entrückte Welt einlädt, in der man sich gerne verliert.

Midlake – For The Sake Of Bethel Woods
VÖ: 18. März 2022, Bella Union
www.midlakeband.com
www.facebook.com/midlake

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Tamara Plempe

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