IGGY POP – Every Loser


Foto-© Jimmy Fontaine

I‘m in a frenzy, you fucking prick
I‘m in a frenzy, you goddamn dick
I‘m in a frenzy, you stoned douchebag
And hate that I feel is oh so real.

(Iggy Pop – Frenzy)

Natürlich denkt man an Zeiten, als er mit den Stooges nach Lust und Laune metzelte, wie ein wilder Hund kläffte, sich entblößte und ins Publikum warf. Ig ist der unumstrittene Proto-Punk. Was nicht heißt, dass sich bei ihm alles wiederholt. Gerne erinnert sich der Fan an Zombie Birdhouse aus dem Jahr 1982. Ig landete mit einer Bekannten aus alten Berlin-Tagen in Haiti, wo sein exaltiertes, von Drogen und Suff befeuertes Gebaren nicht so gut ankam. Ein örtlicher Voodoo-Priester verfluchte die Eindringlinge empört. Das Resultat: Ein Album, auf dem nichts der Erwartung entsprach, alles rhythmisch, experimentell und losgelöst war. Umstritten sind auch Avenue B (akustisch) und Après (französisch). Auf Free ließ sich Ig 2019 von Poesie, Jazz und Ambient-Klängen leiten. Man hatte Befürchtungen, er verschwende seinen Lebensabend bei zu viel Ruhe am Strand von Florida.

Jetzt, pünktlich am Dreikönigstag, zeigt Ig wieder den Stinkefinger. Er haut richtig auf die Fresse, bellt ekstatisch und verunglimpft alle als Schwanzhalter. Wau, wau, wau. Im Begleitcorps randaliert Rock‘n‘Roll-Prominenz, zu Beginn Produzent Andrew Watt an der Gitarre, Duff McKagan am Bass und Chad Smith an den Drums. Angesichts dieser Konstellation denkt man an ein Gespräch, das Ig jüngst als Moderator auf BBC 6 Music mit Brian Eno führte. Während des angeregten Fachaustauschs konzedierte unser rüstiger Freund, dass man auch als unangepasster Mensch manchmal dem Ruf des Geschäfts folgen müsse. Das tut er mit Every Loser. Nicht so, dass er auf Teufel komm‘ raus einen Hit erzwingen will. Er lässt mit 75 einfach noch mal kräftig die Sau raus, so wie nur er es kann. In Frenzy genauso wie im Stooges-Update Modern Day Rip-Off und auch in All The Way Down (mit Stone Gossard von Pearl Jam). Bei Neo Punk herrscht Sturmwarnung. Ig gibt Gas und zeigt Youngstern wie Amyl & The Sniffers, Petrol Girls, The Linda Lindas oder The Chats, wer der Vorreiter ist.

Es ist aber nicht so, dass er wie ein Irrer hyperventiliert, bis der Herzinfarkt kommt. Strung Out Johnny ist ein gutes Beispiel für Mäßigung. Die Grundharmonie ist der in Nirvanas Come As You Are nicht unähnlich. Auch Igs Brummstimme, die wie 1990 in Candy klingt, macht sich gut. In New Atlantis begibt er sich auf Sinnsuche in einer kapitalgesteuerten Welt, die er nicht akzeptiert. Morning Show ist was für die ruhige Minute. Doch dann kracht es wieder amtlich. In The Regency muss alles kathartisch raus, was ankotzt. Die Anzahl der benutzten F-Worte ist stattlich, am Schlagzeug wütet der inzwischen verstorbene Taylor Hawkins.

Diese Demonstration uriger Punk-Macht kommt zur richtigen Zeit. 2022 war bekanntlich scheiße. Einfach nur widerwärtig. 2023 wird allein schon deshalb besser, weil Ig als Blitzableiter da ist und Einstellung vorlebt. Motto: Lust for life. Der Mann ist zurück auf der Gewinnerseite.

Iggy Pop – Every Loser
VÖ: 6. Januar 2023, Gold Tooth/Atlantic Records/Warner
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