GRUFF RHYS – The Almond & the Seahorse


Foto-© Rough Trade Records

Watching silent films of years gone by
Time dissolved and babies cried
Walking side by side through hills and brooks
Never gave life a second look
And now I’m under attack
And now I’m under attack
And now I’m under attack
I want my old life back

The world is back-to-front
Some with needs and some with want
Greedy guts ain’t taking up the slack
I want my old life back
I want my old life back

(Gruff Rhys – I Want My Old Life Back)

Er ist einfach nicht auszurechnen, dieser Waliser mit dem volltönenden Geburtsnamen Gruffudd Maredudd Bowen Rhys. Gerade erst hat der Frontmann der wunderbaren Indiepop-Band Super Furry Animals – bezeichnen wir ihn der Einfachheit halber fortan mit dem gebräuchlicheren Kurznamen Gruff Rhys – sein erfolgreichstes Soloalbum Seeking New Gods abgeliefert (Platz 10 der britischen Charts 2021), da kommt der 52-jährige Sänger und Multiinstrumentalist auch schon mit einem neuen, unerwarteten Projekt um die Ecke.

Der Soundtrack zum Film The Almond & The Seahorse (digital und als Doppel-LP auf gelbem Vinyl mit gefaltetem Filmplakat) zeigt die ganze Klasse dieses mit dem Oberbegriff Britpop kaum noch zu greifenden Musikers. Ähnlich wie die großartigen Filmmusiken und Scores des US-Amerikaners Jon Brion (Magnolia, Punch-Drunk Love, I Heart Huckabees) oder der Soundtrack von Badly Drawn Boy zur Nick-Hornby-Kinoadaption About A Boy (2002) findet Gruff Rhys eine perfekte Mischung aus zarten Piano-, Keyboard- und Orchesterskizzen (mit Angehörigen des National Orchestra of Wales) sowie vollwertigen Songs.

Das schön angeschrägte People Are Pissed, der Synthpop-Titel Layer Upon Layer, der Barockpop von Orea, die Ballade Amen mit eindringlichem Klaviermotiv und die repetitive Elegie Ffenestr decken ein breites Spektrum ab. Neben Amen gehört Liberate Me From The Love Song zu den schönsten und berührendsten Liedern in Rhys’ inzwischen auch schon rund 30-jähriger Karriere. Und der aufgekratzt melodische Popsong I Want My Old Life Back sorgt mit Sixties-Flair à la The Kinks oder The Lovin’ Spoonful trotz schwerer Thematik für gute Laune.

Denn leichte Kost tischt der Film The Almond & The Seahorse definitiv nicht auf. Erzählt wird die Geschichte von Sarah (Rebel Wilson) und Toni (Charlotte Gainsbourg), die sich zunächst nicht kennen, die aber ein gemeinsamer Leidensweg in der Vergangenheit verbindet und schließlich zusammenführt: ihre Ehepartner Joe und Gwen leiden an Gedächtnisverlust. Die Kompositionen von Gruff Rhys’ Filmmusik setzen die entsprechenden Stimmungen und Botschaften mal melancholisch, mal leichtfüßig um – zugleich kann man sie aber auch an sich vorüberziehen lassen, ohne unbedingt die Kinobilder vor Augen zu haben.

Denn Rhys hat es hier nicht nur auf musikalische Untermalung angelegt – sein Album funktioniert als eigenständiges Kunstwerk. “Das Ergebnis ist ein abwechslungsreicher Sound-Quilt”, sagt er. “Als klanglichen Anker wollte ich die Schauplätze des Films in Liverpool und Wirral andeuten, indem ich großzügig, aber hoffentlich nicht zu offensichtlich den Mellotron-Synthesizer (wie er in Strawberry Fields von den Beatles verwendet wurde, was eine klangliche Hommage an Liverpool sein soll) und das Cello als Anspielung auf seine Verwendung durch Gwens Charakter im Film verwendete.”

Fazit: Mission erfüllt – mit The Almond & The Seahorse untermauert Gruff Rhys locker seinen Ruf als einer der originellsten Songschreiber und Komponisten der Insel.

Gruff Rhys – The Almond & The Seahorse
VÖ: 24. Februar 2023, Rough Trade Records
www.gruffrhys.com
www.facebook.com/Gruffingtonpost

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Werner Herpell

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