ANOTHER SKY – Beach Day


Foto-© Darina

Look at all the pretty people, I wanna be them
I’m not, but I could still show you a good time
Take my hand, let’s dance, let’s tell the others
They don’t stand a chance, there’ll never be another
I know though, you’ll never really be mine
The pain makes me feel like I’m alive

(Another Sky – The Pain)

Wenn ein aufregendes Debüt so etwas ist wie ein knisterndes Kennenlernen, dann ist das zweite Album auch ein wenig wie das zweite Date. Man findet sich interessant, klar. Aber jetzt wird sich zeigen, ob da etwas ist, für das es sich zu bleiben lohnt. Ob es funkt.

Und wie es funkt auf dem Zweitling der Londoner Rockband Another Sky. Nach ihrem Debütalbum I Slept On The Floor, einem Critical Darling mit einigen starken Songs und vor allem einer gelungenen Einführung in ihren eigenen Sound, steigert sich das Quartett auf der neuen Platte Beach Day noch einmal. Sängerin Catrin Vincent sagte 2023 in einem Interview mit DIY, ihr Ziel sei es, den Live-Sound der Band auf dem zweiten Album besser einzufangen. Das ist grandios gelungen, der Klang ist voller, die Songs sind monumentaler, alles ist lauter, drängender.

Wer das erste Album liebte und jetzt Sorge hat, dass die Band ihre Melancholie und Düsternis abgelegt hätte – keine Sorge. Negative Gefühle sind noch immer der Antreiber von allem, anders als der sommerlich-leichte Titel Beach Day vermuten ließe. Nur mischt sich in Trauer und Nachdenklich-in-die-Ferne-blicken jetzt auch Wut und Zähne-zeigen. Das zeigt am besten die Vorab-Single Psychopath, mittlerweile schon fast ein Jahr alt und immer noch stark. Vincent nutzt die volle Tiefe ihrer androgynen Stimme in einem Wutsong gegen die Männer, die unsere Welt zerstören. Alles ist synchron – der brodelnde Aufbau der Gitarren, der festivaltaugliche Refrain und Vincents Text: „So I better think twice before I disrespect the guy who’s failed every job on Earth. You can’t split the atom anymore than I’m gonna give birth, to a psychopath.”

Gitarrist Jack Gilbert, Bassistin Naomi Le Dune und Drummer Max Doohan sind mit ihrer einmaligen Sängerin zusammen in Höchstform. Auch wenn der Rock-Regler hochgedreht wurde, lassen sie sich auf den dreizehn Songs von Beach Day immer wieder Zeit zum nachdenken, abklingen und aufbauen. Das zeigt schon der Start ins Album mit dem titelgebenden Opener, der – und es wird nicht das letzte Mal bleiben – an Wolf Alice und deren letzte Platte Blue Weekend erinnert. Der Song Beach Day stellt zudem Catrin Vincents Stimme ins Zentrum und fängt die 90s-Vibes, auf denen die folgenden 45 Minuten gesurft wird, bereits perfekt ein. Die Positivität („I’m gonna have a good life“) tut gut, auch wenn sie direkt fachgerecht zerlegt wird. Denn auf dem folgenden Track erklärt Vincent: „The pain makes me feel like I’m alive“. The Pain ist der hiermit zertifizierte Ohrwurm der Platte, der hinreißende Refrain mit Vincents (vielleicht nicht einmal) höchsten Stimmlage ein Highlight.

Der ganze Albumstart bringt viel Drive und divergierende Ideen, die ein Spannungsfeld aufbauen. Neben Wolf Alice sind auch Parallelen zu London Grammar selbstverständlich, doch Another Sky biegen immer wieder an der richtigen Stelle ab. Vor allem der Mittelteil des Albums bringt klassische 90s-Rock/Grunge-Tracks mit scharfen Texten (A Feeling über Feel-Good-Culture und Burn The Way über den Klimawandel) im stimmigen Wechsel mit feinfühligen Balladen, die jedoch nie das Energielevel abfallen lassen. Am besten zeigt sich dieses Kunststück auf Death Of The Author. Wie (noch etwas direkter) auf I Never Had Control geht es um den Kontrollverlust nicht nur in Bezug auf das Werk sondern vor allem auf persönlicher Ebene. Immer wieder singt Vincent vom Schmerz, hat aber einen sehr abgeklärten Blick auf diesen, was die Texte sehr reifen lässt, bis hin zur Leichtigkeit.

City Drones ist der vielleicht leichteste Punkt des Albums. Ein unschuldiger Song über das Ablegen von Zwängen und die Freiheit. Mit einem einfachen Riff bleibt die Selbstversicherung „I don’t have to be anyone“ hängen.

An einzelnen Stellen driftet die neugefundene Freiheit auch etwas ab. Die Single Uh Oh! leiht etwas zu fröhlich vom 2000er-Indie à la Wombats und gegen Ende versucht sich die Gruppe am hymnenartigen Star Roaming, der – wie es sich für eine Hymne gehört – etwas langweilig, zu poppig und vor allem mit abgedroschenen Bildern daherkommt: „You put me down, ‘cause you were afraid“. Es ist fast ein neuerer Coldplay-Song, nur nicht ganz so nervig.

Die wenigen Schwachstellen stören jedoch kaum das Gesamtbild: Ein wildes, ambitioniertes Progressive-Rock-Gemälde mit der emotionalen Attitüde eines Rocker-Spätwerks bei gleichzeitiger Newcomer-Energie. Und mit dem letzten Song Swirling Smoke baut die Band sogar noch einen weiteren Twist ein. Der spacige Closer ist gebaut um viel Hall und gute Loops, eine hübsche, subtile Weiterentwicklung des Sounds in elektronischer Richtung. Ein Ausblick auf another Another Sky?

Another Sky – Beach Day
VÖ: 1. März 2024, Virgin Music
www.underneathanothersky.com
www.facebook.com/UnderneathAnotherSky

YouTube video

Phillip Kaeding

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