PAUL WELLER – 66


Foto-© Nicole Nodland

When the morning comes
With the rising sun
When you’re heading out
It’s only love that you’re bringing
You’re gonna make things better

Rise up singing to the sky
Feel free rising up and high
So loud, gonna make you cry
So glad I opened my eyes

Rise up singing to the day
I feel free rising up and high
So loud its gonna make you say
So glad I opened my eyes

(Paul Weller – Rise Up Singing)

Auf PR-Fotos ist Paul Weller stets wie aus dem Ei gepellt – ein Mode-Stilist bis zum obersten geschlossenen Knopf seines Fred-Perry-Shirts. Dass er langsam aber sicher auf die Siebzig zugeht, merkt man dem früheren Mod-Punk (mit The Jam), ehemaligen Soul-Jazzer (mit The Style Council) und ewig Suchenden (als Solokünstler) weißgott nicht an. Doch da steht nun unübersehbar die Zahl 66 auf dem Cover seines 17. Albums in 35 Jahren unter eigener Flagge, dem 28. insgesamt seit 1977. Ein klares, stolzes oder auch nur achselzuckendes Bekenntnis zum eigenen Alter – Weller wurde, ob man es nun glaubt oder nicht, am 25. Mai 1958 geboren.

Mit dieser Platte (regulär zwölf Tracks, in einer CD-Deluxe-Edition sogar 16) erfindet sich der Engländer nicht neu, fasst aber sein Schaffen kongenial zusammen. Wie ein Greatest-Hits-Album mit lauter frischen Weller-Songs klingt 66: Soul (Rise Up Singing, Soul Wandering) und Folk (Ship Of Fools, I Woke Up), kerniger Brit-Rock (Jumble Queen) und französisch angehauchter Walzer-Pop (My Best Friend’s Coat), dezente Disco-Funk-Experimente (Flying Fish) und feine Burt-Bacharach– oder Nick-Drake-Zitate (Nothing, A Glimpse Of You) – alles fließt hier völlig schwerelos zusammen, mit der monumentalen Crooner-Ballade Burn Out als krönendem Schlusspunkt. Und Weller singt wie ein Gott, jedes Lebensjahr obendrauf scheint seine Stimme noch besser zu machen.

Das erwähnte Album-Cover zu 66 wurde vom großen britischen Pop-Art-Künstler Peter Blake gestaltet, der sich vor fast 60 Jahren mit Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band der Fab Four verewigte und für Weller das Artwork von dessen erfolgreichster Soloplatte Stanley Road (1995) malte. Da ist also schon mal Kontinuität. Auch stilistisch blickt der Singer-Songwriter wieder zurück, ohne langweilig nostalgisch zu klingen: “I’ll always go back and nick an bit of Beatles and Kinks because that’s what I grew up on, but the real inspiration comes from people now, doing great things”, sagte die Britpop-Ikone gerade erst dem UK-Magazin Mojo.

So sind auf 66 das angesagte US-Soul-Trio Say She She, das französische Quintett Le Superhomard und die Sheffield-Pop-Legende Richard Hawley (neues Album In This City They Call You Love ab 31. Mai) zu hören. Außerdem hat sich Paul Weller diesmal in vielen Stücken das Songwriting geteilt, etwa mit seinem alten Kumpel Noel Gallagher (Ex-Oasis), dem einstigen Red-Wedge-Genossen, Freund und Soul-Bruder Dr. Robert Howard (The Blow Monkeys, neues Album Together/Alone ab 31. Mai), mit Bobby Gillespie (Primal Scream) und Graham “Suggs” McPherson (Madness).

Und wer weiß, vielleicht gewinnt der große Britpop-Kollaborateur ja demnächst auch Billie Eilish für ein Duett, begeistert genug geäußert hat er sich im Mojo jedenfalls bereits (“I’ve got to say, man, Billie Eilish is fucking great.”). Weller ist, bei aller Traditionspflege, immer noch mutig genug, etwas Unerwartetes zu wagen, wie nur ganz wenige wichtige Musiker seiner Generation. Immer nach dem selbstgewählten Motto: “Keep your feet on the ground and your head in the clouds.” Das Geburtstagsgeschenk 66 ist ein wunderschönes, altersweises “Spätwerk” – ein weiterer Karriere-Meilenstein, der auch 47 Jahre nach dem jugendlichen Start noch Lust auf mehr Weller macht.

Paul Weller – 66
VÖ: 24. Mai 2024, Polydor
www.paulweller.com
www.facebook.com/paulwellerofficial

YouTube video

Werner Herpell

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