ANNAHSTASIA – Tether


Foto-© Zhamak Fullad

Take it
Take it back

All that you left within me
All the doubt and the lack
And the knocking sense of insecurity

Take it
Take it back

All the anger and the fury
And I don’t know where it hides

Just before it rises up and cries for me
Just before it rises up and cries for me

Take it
Take it back

(Annahstasia – Villain)

Ein Kleiderständer auf zwei wohlgeformten Beinen – warum muss der/die jetzt auch noch singen? Ja ja, ist nicht einfach, so ein drastischer Kurswechsel, fragt nur mal Carla Bruni, Hannah Cohen, Karen Elson oder Roo Panes. Eine vorherige Model-Karriere kann für Musiker Segen und Fluch zugleich sein: Zwar weiß man sich nach Laufsteg- und Fotosession-Erfahrungen auf großer Bühne zu präsentieren und zu bewegen. Allerdings überwiegt beim neuen Publikum oft die Skepsis: Ist das das nicht alles nur oberflächliche Hipness, was der/die da auf eben diese Bühne bringt?

Bei Annahstasia Enuke, die ihren Vor- als Künstlernamen gewählt hat, wird man diese kritischen Fragen nicht mehr stellen, sobald man ihre tolle Stimme und ihre zu Herzen gehenden Lieder gehört hat. Mit Tether erscheint nach EP-Anläufen und Konzerten das erste reguläre Studioalbum der vor 30 Jahren geborenen Sängerin, die sich in elf Stücken stilistisch irgendwo zwischen Folk, Soul, Pop und Jazz positioniert – also eigentlich in einem ziemlich überlaufenen, daher für Seiteneinsteiger schwierigen Mix-Genre.

Da braucht es schon gute Gründe, um den vielen gediegenen Songwriter-Platten noch eine weitere hinzuzufügen – beziehungsweise, vice versa, um einer weiteren Musikerin mit sanften Liedern zuzuhören. Bei Annahstasia gibt es etliche gute Gründe.

Wenn man ihren Namen auf Google sucht und findet, was wegen der Schreibweise nicht allzu kompliziert ist, stößt man schnell auf Model-Bilder einer schönen Afroamerikanerin (Enuke hat US-, nigerianische und deutsch-polnische Wurzeln). „Sie wurde bereits in Magazinen wie V Magazine, Paper, L’Officiel, Dazed, Office, Into The Gloss und Flaunt Magazine vorgestellt“, heißt es etwa auf der Casting-Website Mint Artist Management. Und dass die Musikerin Annahstasia bereits 2019 ihre Debüt-EP Sacred Bull veröffentlichte und im Sommer desselben Jahres als Support für Lenny Kravitz tourte.

So weit, so gut – aber wie ist nun Tether vom Songwriting her geworden, abgesehen von den erwähnten „good looks“ auf dem Cover und den eindrucksvoll dunklen Vocals? Also dies ist keine Amy-Winehouse-Platte, die den Hörer im Sturm erobert – auch ein Vergleich mit der stimmlich ähnlich veranlagten Lady Blackbird und ihren wuchtig zwischen Jazz, Soul, Folk und Gospel oszillierenden Slang Spirituals passt nur so mittel. Annahstasia ist eher eine zurückhaltende Sängerin, die ihre Intensität in reduzierten Arrangements entwickelt. Aber dann packt sie einen umso kraftvoller.

„Meine Karriere war eine Lektion in Geduld“, sagt die schon vor über zehn Jahren fürs Modeln entdeckte und dann weltweit erfolgreiche Künstlerin. Sie wurde laut PR-Info aber auch vom „Druck einer Branche getrieben, die ihre größten Stärken fast erstickte“ – also ihr Songwriting und ihre Vocals. „Es gibt Gesangsstimmen mit so intensivem Ausdruck und Timbre, dass sie weit über sich hinausweisen und nahtlos an die großen Stimmen der Musikgeschichte anknüpfen“, schwärmte der Hamburger Club Kampnagel schon vor einem Jahr in einer Konzertvorschau. Man müsse bei Annahstasias Stimme „wegen der Intensität, Verletzlichkeit und vokalen Dynamik unweigerlich an Nina Simone, Roberta Flack oder Tracy Chapman denken.“

Lieder wie das zärtliche Be Kind, das opulenter produzierte, feierliche Villain, das Duett Slow mit dem neuen nigerianischen Superstar Obongjayar, die hauchfeine Ballade Satisfy Me und der folkrockige, gegen Ende gospelige Closer Believer zeugen vom breiten stilistischen Spektrum dieser Sängerin, die für den Mode-Zirkus tatsächlich viel zu schade ist. „Ich habe die Kraft meiner Stimme als Medium erkannt“, sagt Annahstasia. Diese sei „in der Lage, den emotionalen Raum um mich herum zu gestalten“. Recht hat sie – in eigener Sache, als Model, das zu einer hervorragenden Musikerin wurde.

Annahstasia – Tether
VÖ: 13. Juni 2025, Drink Sum Wtr
www.annahstasia.com
www.facebook.com/Annahstasiamusic

YouTube Video

Werner Herpell

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