SCHNEEWITTCHEN – Filmkritik


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True Beauty comes from the people.

(Schneewittchen – Schneewittchen)

„Furchtlos, hold, tapfer und treu.“ So wird die titelgebende Hauptfigur der neuesten Realverfilmung des ältesten Zeichentrickklassikers aus dem Hause Disney beschrieben und so fühlt sich auch die erste halbe Stunde von Schneewittchen an. Vor schönen und handgemachten Kulissen wird das progressive und idealistische Königreich, in dem Prinzessin Schneewittchen (Rachel Zegler) in einer eisigen und schneereichen Nacht geboren wurde, durch heiteren Tanz und fröhlichen Gesang vorgestellt.

Einige ikonische Momente aus dem Original werden für die neue Generation angepasst (nur zur Erinnerung: das Original ist aus 1937) und lassen die älteren Generationen in Erinnerungen schwelgen. Hauptdarstellerin Rachel Zegler vereint die eingangs erwähnten Attribute mit ihrer schönen Singstimme und ist unbestreitbar engagierter und emanzipierter als das klassische Schneewittchen. Leider fühlt sich die Selbstermächtigung des 2025er Schneewittchen nicht besonders natürlich an, sondern vor allem betont progressiv. Gerade so, als wolle man statt der Prinzessin eine starke weibliche Führungspersönlichkeit etablieren, die sich über holprige Wege in die Belange von ihren Untertanen einmischt. Trotz schöner Singstimme, ihrer Holdseligkeit und Treue, wirkt die junge Chefin so weder besonders liebenswert noch so richtig sympathisch, sondern eher provokativ und identitätslos. Und das fehlt dem Gesamtwerk schließlich in Gänze, eine eigene Identität und ein konsistenter Ton.

Die tollen Kulissen der Anfangssequenzen werden durch fade visuelle und vor allem virtuelle Ästhetik ersetzt, die im Kontrast befremdlich wirkt. So wie die Darstellung der Sieben Zwerge, die in Anklängen an die Original Sieben erinnern sollen, aber durch lieblose Animation und zum Ende fehlender Einbindung überflüssig wirken. Genau wie die provokativ eingeführte Diebesbande, die offensichtlich als Surrogat oder Nachtrag zu den Sieben Zwergen hineingearbeitet worden ist. Dabei erinnert die Bande von Holzfällern und Bergbauern dann ein wenig an die aus Snow White: A Tale of Terror (1997), denn auch dieser Anführer der Bande wird zum Love Interest von Schneewittchen. Fahl und eintönig ist auch der Charakter von Jonathan (Andrew Burnap). Das Love Interest hat zwar dieses Mal einen Namen, aber dient allein als Vehikel für das obligatorische Liebeslied und um das Motiv des “Prinzen auf seinem weißen Roß” herumzudrehen. Um am Ende einfach sagen zu können, man habe ja etwas geändert und man sei en vogue. Das fühlt sich weder richtig an noch sieht es richtig aus. Nichts Ganzes und auch nichts Halbes. So wie Gal Gadot in der Rolle der Bösen Königin: in dem prächtigen handgemachten Kostüm sieht sie toll und auch furchtgebietend aus, doch wenn sie sich bewegt und die drögen Schurkenlieder interpretiert, dann fällt jede Bedrohlichkeit ab, und ihre Darstellung wirkt hölzern und sehr theatralisch.

Der Film fühlt sich wie ein einziger Kompromiss an, der für niemanden funktioniert. Der Versuch die Vergangenheit in einem neuen Gewand darzustellen, so wie bei den vorangegangenen Live-Action-Neuinterpretationen, missglückt hier auf fast allen Ebenen und kulminiert in einem gekünstelten und aufgedrängten progressiven Ende, bei dem sowohl die Kenner des Originals als auch die junge Generation die Augen verdrehen muss. 2025 muss sich nun auch Disney eingestehen, dass Disney und seine Live Action- Versionen bei weitem nicht die Schönsten von allen sind.

Snow White (USA 2025)
Regie: Marc Webb
Darsteller: Rachel Zegler, Gal Gadot, Andrew Burnap, Martin Klebba, Andrew Barth Feldman
Heimkino-VÖ: 27. Juni 2025, Walt Disney

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Helena Barth

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