Foto-© Band
Is it true what they’re saying
that you’re having a ball, that you have it all – to shine.
I can see that you’re shining
but I wanna know what’s at stake – when will you break – and will you whine
Your laughter is weathered
like the walls of an abandoned house
maybe you should be so sincere
and stop hiding behind it
I can give you some things you’ve been waiting for
things that you’ll be missing when we’ll part
and if it’s love that you’ve been waiting for a while
rest assured I have it in my heart
(TheCatherines – In My Heart)
Wenn es heute, in frustrierenden Spotify-Zeiten, noch eines Beweises für das Überleben eines hehren Indiepop-Gedankens bedarf, dann ist er auf der Bandcamp-Seite des Hamburger Bandprojekts TheCatherines zu finden (ja, die schreiben sich tatsächlich so, also auch dabei etwas unkonventionell, ohne Zwischenraum im Bandnamen). In den vergangenen knapp zehn Jahren hat Catherines-Frontmann Heiko Schneider dort (und auf dem eigenen Label TeenyTinyTapes) eine Unmenge an Singles, EPs und Alben bereitgestellt, immer mit viel Herzblut gesungen, gespielt, produziert – und am Ende auch noch mit Cover-Artworks verbunden, die in punkto Retro-Edeldesign an den konsequenten Stilwillen von The Smiths in den 80ern erinnern.
Mit dem neuen Album Distraction haben sich TheCatherines, nach vielen Veröffentlichungen von feiner Singer-Songwriter- und Jangle-Pop-Ware davor, nun selbst übertroffen. Und man denkt beim ungläubigen Anhören: Was wäre, wenn diese hochmelodischen, cleveren Lieder schon vor ein paar Jahrzehnten erschienen wären und nicht in diesen „modernen Zeiten“, aus denen sie nun irgendwie gefallen zu sein scheinen?
Denn da steckt so viel drin an edlen Referenzen aus der Pop-Historie: der melancholische Vocal-Jazz eines Chet Baker (Just A Note Before You Go), der mit Trompeten und Saxophonen prunkende Easy-Listening-Pop eines Burt Bacharach (In My Heart, Remington Steele), Yacht-Rock-Helden wie Steely Dan (The Coolest Place In Town), der 80er-Jahre-Sophisticated-Pop von Prefab Sprout (das fantastische OnAndOnAndOn, This Will Softly Play), China Crisis (When Lights Go Low, So This Is The New Year), Edwyn Collins (Throws Like A Girl) oder The Pale Fountains und Shack, an deren Sänger Michael Head Schneiders fragile Vocals öfter mal erinnern (Midnight Souvenir, Could You Be Love).
Man kommt aus dem Staunen kaum heraus. Und selbst wenn ein Song mal unter der Last seiner Ambitionen zusammenbricht, letztlich doch nicht ganz zum Perfect-Popsong-Ziel gelangt, weil ein schlauer Akkordwechsel oder eine harmonische Schleife zu viel eingebaut wurde – dann ist das ein Scheitern auf hohem Niveau. Und so viel Over-Acting von Songschreiber Schneider gibt’s auch gar nicht zu beanstanden. Der hat hier alles reingepackt, was ihm zur Verfügung stand. Also eine ganze Menge – nicht an Geld, aber an Einfällen.
Lassen wir den Indiepop-Idealisten selbst zu Wort kommen – Schneider hat die Idee hinter Distraction auf Nachfrage so beschrieben: „Neu an den Songs ist besonders der Ansatz, Jazz-Harmonien und -Strukturen zu verwenden, ganz offensichtlich bei den drei Jazz-Songs, aber auch bei den Stücken, die oberflächlich poppig klingen. Im halben Jahr des Komponierens war ich sehr regelmäßig in Jazz-Konzerten und hab mich da in die Klangwelt und innere Logik des Genres rein gearbeitet. Natürlich steht mir das handwerkliche Unvermögen etwas im Weg, die wahre Komplexität des Jazz auch nur ansatzweise nachzustellen, aber immerhin bei den Akkorden und Gesangslinien habe ich das versucht.“
Das mit dem „handwerklichen Unvermögen“ mögen Andere, vielleicht echte Jazz-Kenner besser beurteilen. Jedenfalls klingen diese Songs ungeheuer frisch, sie sind liebevoll opulent an der Schnittstelle von Pop und Jazz entlang arrangiert. Und auch die Lyrics sind mit Bedacht gesetzt: „Textlich und stimmungsmäßig ist das Album beinah – und eher unbedacht – ein Konzeptalbum geworden über die Einsamkeit und Melancholie in diesen von Social-Media-„Sensationen“ geprägten Zeiten“, erklärt Heiko Schneider. „Wie immer sind die Texte nicht biografisch, aber doch sehr persönlich, weil sie meist auf tagesaktuellen Eindrücken oder Beobachtungen fußen.“
Distraction sei „eine Art subtiles Jazz-Konzeptalbum (Zwinker-Smiley)“ – eingespielt und aufgenommen überwiegend vom Multiinstrumentalisten Schneider selbst im eigenen TeenyTinyStudio in Hamburg, „mit wenigen, aber wertvollen Beiträgen einiger Freunde der Band“ wie Rudie (Schlagzeug), Johannes (Bläser), Melli (Synths), Jan (Bass), Jo (Vibes) sowie „Hanna, Leo, Sandra and then some…“
Eine Sophisticated-Pop-Platte mit ganz viel DIY-Charme also – aus Deutschland! Zum Abschluss dieser kleinen Hymne auf den Indiepop noch ein hübsches Zitat von Heiko Schneider: „Und wie immer gilt für mich bei allem, was theCatherines betrifft, eines meiner Lieblingszitate eines meiner Lieblingskomponisten: Auf die Frage, warum er Musik komponiere, sagte der amerikanische Komponist Ned Rorem einmal: „Because I want to hear it!“.
Klasse Einstellung, klasse Album.
TheCatherines – Distraction
VÖ: 03. Juni 2025, TeenyTinyTapes
www.thecatherines.bandcamp.com/music
www.facebook.com/thecatherines
