TYCHO – Dive

Tycho ist das Projekt des amerikanischen Grafikdesigners ISO50, der mit bürgerlichem Namen Scott Hansen heißt. Mit seinem zweiten Album ‘Dive‘ präsentiert er einen Longplayer, der ein faszinierendes Prisma aus verschiedenen Klanglandschaften erzeugt und gekonnt beweist, wie schön die Synergie aus analoger und digitaler Produktion sein kann. Das Ergebnis ist ein Album, das den Anspruch formuliert auch ohne komplexe Rythmusgefüge zu funktionieren, dabei aber seinen Anspruch nicht verliert.

Wie das vorherige Album von Tycho ist auch ‘Dive’ retrofuturistisch geraten und lässt Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft verschmelzen. Dabei wird viel Wert auf warme, langatmige Klangcollagen und einen organischen Songaufbau gelegt. Diese Charakteristika der Platte werden auch im Coverdesign aufgegriffen: Eine befremdliche, untergehende Sonne, die in sättigungsarme Rot- und Blautöne getaucht wurde. Und genauso unwirklich wie das Cover, wirkt es auch wenn man in die beinahe isolierende Klangwelt der Platte abtaucht. Krautrockige Sequenzen a la Can wechseln sich mit New Age Ambient ab und immer wieder werden Klangbilder gemalt, die zum schwelgen in der eigenen Gedankenwelt anregen. Schon der Opener ‘A Walk‘ macht mit schleppendem Beat, warmen Flächen und einem tiefen, aber leisen, Bass klar, wohin die Reise geht. Im weiteren Verlauf öffnet sich der Track und gewinnt an Dynamik, jedoch sind die Veränderungen immer im kleinen zu finden, große Umbrüche oder Überraschungen sucht man hier vergebens. Auch das sinnhaft betitelte ‘Daydream‘ lädt mit seiner melancholischen Akustikgitarre und dem trägen Rumpelbeat zum gedanklichen Abheben ein. Bevor man komplett in den Schwebezustand übergeht, brennen die flirrenden Synthesizer in ‘Coastal Brake‘ den Himmel schwarz, verdichten sich und verdrehen dem Hörer dabei den Kopf. Hier wird auch kurzzeitig ein wenig mehr Tempo aufgenommen und gefrickelt was das Zeug hält, doch insgesamt ist ‘Dive’ ein eher gemächlich-ruhiges Tempo vorbehalten.

An jeder Ecke findet man hypnotisierende Loop-Passagen, die immer wieder leicht leiern und mit ihrer unaufdringlichen Art ein enorme Lässigkeit ausstrahlen. Und genau hier liegt auch die größte Stärke der Platte: Tycho hat es auf ‘Dive’ geschafft, die für Electronica sonst typischen Beatspielereien im Hintergrund zu platzieren und sich komplett auf seine wunderbar-unspektakulären, dabei aber ungemein eingängigen Melodien zu verlassen. Reduzierung bei stetiger Bewegung lautet das Prinzip und so liefert Tycho einen wunderbaren Sound, der an Tage und Nächte an der Küste erinnert. Sobald man sich den Kopfhörer aufsetzt wird man in Tychos einzigartige Klangwelt entführt, in der sich der Verkehr in Zeitlupe den Highway entlang loopt und Bewegung und Stillstand sich nicht ausschliessen.

Tycho – Dive
VÖ: 11. November 2011, Ghostly International
http://tychomusic.com
http://www.myspace.com/tycho

Fred

Fred ist 32 Jahre, wohnt in der Pop-City Damstadt und mag Hunde, Pizza und Musik.

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