LESLIE CLIO – Gladys

Leslie Clio - Gladys CD-Kritik

Got so tired of pretending
Going nowhere by your side
How can I know what it feels like
I don’t live inside your mind

(Leslie Clio – Let Go)

Leslie Clio, die junge Sängerin aus Hamburg, die jetzt eigentlich in Berlin stationiert ist, geht den klassischen Weg der Popmusikerin. Ein Song, ein Video. Erstmal schauen wie das läuft. Ob schon große Pläne der Plattenfirma dahinter steckten? Das weiß man nicht, aber ‘Told You So‘ hat von Anfang an funktioniert, für Leslie und für das Publikum. Aufmerksamkeit = check!

Dann dauert es ein Weilchen bis die nächste Single fertig ist bzw. veröffentlicht werden kann – vermutlich aus marktstrategischen Gründen. Ist eigentlich auch egal, über Leslie Clio werden schon Artikel geschrieben und gedruckt. ‘I Couldn’t Care Less‘ wird angekündigt und schon flattern die Einladungen zu Fernsehsendungen ins Haus. Das Album ist da bestimmt schon im Kasten bzw. noch in den Mastering Händen und so gut wie fertig.
Dann kommt es, das Album ‘Gladys‘ und alle sind gespannt: Hält sie was sie in ‘Told You So’ musikalisch und gesanglich abgeliefert hat? Ist sie wirklich das neue Soul-Pop-Wunder aus Deutschland mit Parallen zur großartigen Adele?

Elf Songs auf der Platte, zwei schon bekannt und stilistisch schlau kombiniert, der Rest teilt sich auf in Ohrwürmer und gut produzierten, radiokompatiblen Liedern, aber es gehen auch zwei-drei Songs einfach unter, zumindest ist das bei mir der Fall.
Im Fokus: die Liebe. Interessant ist dabei, dass es thematisch nicht grundsätzlich die verschwommenen, naiven Gedanken der großen Liebe sind. Ganz im Gegenteil: Traurigkeitszustände, Verluste, Unzufriedenheit, persönliche Verarbeitung der vergangenen Beziehung. Musikalisch wird hier die Atmosphäre nicht düster und bedrückend eingefangen, nein, die Instrumente, das Arrangement hat fast etwas befreiend auflösendes, so zum Beispiel im Stück ‘Island‘.
Manchmal hat Leslie Clio DIE Stimme von der man nicht genug bekommt. Tatsächlich wechselt die Klangfarbe und Intention des Gesangs von Stück zu Stück. ‘I Couldn’t Care Less’ erinnert an Joss Stone, ‘Sister Sun Brother Moon‘ kriegt eine kraftvollere, klare Note.

‘Gladys’ wird der bisherigen Erscheinung von Leslie Clio außerordentlich gerecht. Wie schon die ersten beiden Single-Veröffentlichungen zeigten, ist man auf der Platte offen für Stilbrüche, Verschmelzungen, Unterschiede, um einfach mal mutig zu sein. Das funktioniert in der Tat überraschend gut. Und trotzdem klingt das Album wie aus einem Guss.

Leslie Clio hat ihr Genre gefunden, jetzt braucht sie nur noch ihren ganz persönlichen Stil, aber darum muss man sich keine Sorgen machen. Denn auch wenn sie noch an einigen Stellen mehr aus sich selbst herauskommen und vor allem auch musikalisch mehr Ecken und Kanten reinproduziert werden sollten, kann man durchaus sagen: Das hat sie gut gemacht!

35von5

Leslie Clio – Gladys
VÖ: 8. Februar 2013, Vertigo Berlin
www.leslieclio.com
www.facebook.com/LeslieClio

httpvh://www.youtube.com/watch?v=t2aQiun69M4

Bevor es wieder aufgebrachte E-Mails von entrüsteten LeserInnen gibt, beziehe ich sogleich Stellung zu dieser CD-Rezension:
Wir wurden nicht von Universal aufgekauft oder haben irgendwelche Verträge mit ihnen laufen. Wir sind nicht an deren Veröffentlichungen gebunden und vertreten hier zu 100% unsere Meinung. Die Albenanforderung geschah – wie bei allen anderen Labels – aus rein persönlichem Interesse.
Den Großteil unserer Kritiken schreiben wir zu Alben, die kommerziell (noch) nicht erfolgreich sind, sozusagen schreiben wir Artikel zu Geheimtipps und aus musikalischem und medienkulturellen Antrieb. Dass Leslie Clio eine derartige Präsenz im Fernsehen, in Zeitungen und Magazinen und auch Radios hat, hat nichts mit einer thematischen Orientierung am Mainstream zu tun. Wir sind ein unabhängiger Musikblog mit unterschiedlichen Musikgeschmäckern bei den unterschiedlichen Autoren, sodass wir nicht nur auf Underground-Erscheinungen Rücksicht nehmen, sondern uns allgemein mit Neuigkeiten der nationalen, sowie internationalen Musikszene beschäftigen. Bedroomdisco als Redaktion möchte sich bei der Auswahl der Musikgenre nicht grundsätzlich abgrenzen oder auf etwas Bestimmtes festlegen – wir agieren rein nach dem Prozedere: Ich finde das gut/interessant, ich schreibe was darüber. Ich hoffe Gemüter besänftigt zu haben und Anzweiflungen über Bedroomdiscos Unabhängigkeit beseitigt zu haben.
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