ARCTIC MONKEYS – AM

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Arabella’s got some interstellagator skin boots
And a helter-skelter ’round her little finger and I ride it endlessly
She’s got a Barbarella silver swimsuit
And when she needs to shelter from reality s
he takes a dip in my daydreams

(Arctic Monkeys – Arabella)

Holy Moly! Zwischen Sheffield und LA, zwischen Dr. Dre und Black Sabbath, Indie und Stoner, einer durchzechten Nacht und der nächsten, in den Morgenstunden, denen nach Mitternacht, findet man einen Zustand verrucht-paradiesischer Perfektion. ‘AM’, das fünfte Album der Arctic Monkeys, glüht wie ein Zigarettenstummel in der Wüste, vernebelt testosterongeladene Geschichten von Lust, Momentaufnahmen von Liebe, Bewunderung, sexueller Begierde. Es ist ein Manifest für die grenzenlosen Möglichkeiten dieser Band.

Aus vier adoleszenten Vorstadt-Brits, deren Debutalbum ‘Whatever People Say I Am, That’s What I’m Not‘ 2006 zappelige Cleverness in nervös-harmonische Indie-Rock-Post-Punk-Hymnen packte und eine ganze Generation prägte, sind experimentierfreudige Rocker-Dandies mit Anzug und Tolle geworden. Die Gitarre ist acht Zentimeter weiter nach unten gerutscht, der Horizont um mindestens 8000 Kilometer erweitert worden und Inspirationen sind in einem Geniestreich nach dem anderen mehr und mehr gebündelt worden. Die vier siedelten einer nach dem anderen nach LA über, Album Nummer drei, ‘Humbug‘, wurde von Queens Of The Stone Age-Frontmann Josh Homme mitproduziert und aus zappeliger englischer Cleverness wurde straighte, amerikanische Coolness. Homme war seitdem kreative Stütze – nach ‘Suck It And See‘ ist sein Einfluss auch auf ‘AM‘ spürbar. 

Die Arctic Monkeys sind nun so etwas wie Ikonen. Früher wurde geraucht, um cool zu sein, heute wird geraucht, um Rauch zu schmecken. Ihnen stehen Lederjacken ebenso gut wie Anzugjacken – sie sind nun Brit-boys und Americana-aces zugleich. ‘Do I Wanna Know?‘ und ‘Are U Mine?‘ sind ein Kickstart voller rockigen Selbstbewusstseins. In letzterem fragt Frontmann Alex Turner Are you mine tomorrow / Or just mine tonight?” und klingt inmitten von sexuellem Verlangen und romantischer Abhängigkeit klotzig und kleinlaut zugleich. Und dann wird es unfassbar sexy mit ‘One For The Road‘, das musikalische Glückseligkeit auslöst: R’n’B- und Hip-Hop-Duktus in Gesang und Backing-Gesang plus Jamie Cooks rockige Gitarrenriffs gleich “My place or yours?”-Gefühl.

Arabella‘ ist eine heiße Lady in Turners Tagträumen. Der Song klingt passenderweise so heiß und gefährlich, als könnte man sich bei zu langem Hören verbrennen. Hip-Hop-Beat und -Bass entladen sich kraftstrotzend in einem Sabbath-Riff. Die Lennon-Nummer ‘No. 1 Party Anthem‘ und die Uh-la-la-las im wogenden ‘Mad Sounds‘, das The Velvet Undergrounds ‘Sunday Morning’ mit einer Lou Reed-Ballade verschmelzen lässt, sind das Wachs in Turners Tolle. Der stampfende Beat und die Doppel-Oktaven-Gesänge im poppigsten der zwölf Songs, ‘Snap Out Of It‘, sind unschlagbar. Ein gewisser Motown-Flair schwing auch mit.

Knee Socks‘ hat vereint R’n’B-Groove mit blaffenden Gitarren; über den Rhythm-and-Bluesigsten Teil des Songs (“You and me could have been a team / Each had a half of a King and Queen Seat”) legt sich der Gitarrensolo-artige Gesang Josh Hommes, der hier einen Gastauftritt hat und die Symbiose ist perfekt. ‘I Wanna Be Yours‘ behält den sexy Vibe von ‘Knee Socks’ bei. Das gleichnamige Gedicht des englischen Punk-Poeten John Cooper Clarke (“I wanna be your vacuum cleaner / Breathing in your dust / I wanna be your Ford Cortina / I will never rust”) fließt über ein Satinlaken wie warme Milch. Die Backinvocals sind der Honig. Banks hätte ihre Freude an einem Cover.

So rotzig und anrüchig es einen empfängt, so sanft und noch immer anrüchig entlässt es einen, dieses gloriose Album. Wie eine durchzechte Nacht, die sich dem Ende zuneigt, wenn AM immer mehr zu PM zu werden droht, verabschiedet es sich. Und wir drücken wieder auf ‘Play’.

5von5

Arctic Monkeys – AM VÖ: 2. September 2013, Domino Records
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