COLONIA DIGNIDAD – ES GIBT KEIN ZURÜCK – Filmkritik

Colonia Dignidad - Filmkritik

Immer wenn Filme auf düsteren, realen Ereignissen basieren, wird irgendwie anders an die Kritik des Dargestellten herangegangen. Könnte es möglicherweise anmaßend wirken, von einer platten Darstellung zu sprechen – von oberflächlichen Dialogen oder unrealistischen Szenen? Oder birgt das Genre des Thrillers diese Gefahr sowieso immer ein kleines bisschen in sich und kann trotzdem von herausragender Qualität sein? Bei dem vom oscarprämierten Regisseur Florian Gallenberger gedrehten Film ’Colonia Dignidad‘ ließen sich jedenfalls einige Kritikpunkte hinsichtlich einer stark vereinfachten Handlung anführen, trotzdem ist der Film von einer außerordentlichen Spannung, die häufig den Atem stocken lässt und dann wiederum noch viel drastischer wirkt bei dem Gedanken, dass immerhin ein Großteil des Dargestellten einen wahren Bezug hat.

Allerdings wirkt gerade die anfängliche Einleitung der Geschichte etwas lieblos dargestellt – ein bis zur Torheit von Leidenschaft getriebener Fotograf, kitschige Liebesszenen und eine extrem kurze Heranführung an die damaligen politischen Verhältnisse anhand historischer Aufzeichnungen: Chile, 1973. Während des Militärputsches durch Augusto Pinochet, bei dem alle Anhänger des vorherigen Präsidenten Salvador Allende der Verfolgung ausgesetzt sind, geraten auch das deutsche Paar Lena (Emma Watson) und Daniel (Daniel Brühl) in eine Personenkontrolle der chilenischen Militärpolizei. Lena wird freigelassen, Daniel – passionierter Fotograf und Allende-Anhänger – wird in die abgeschottete Colonia Dignidad gebracht: nach außen hin eine vorbildliche Glaubensgemeinschaft, in Wirklichkeit ein hermetisch abgeriegeltes Lager, das während der Diktatur unter Pinochet zudem als Folterstätte für politische Gefangene benutzt wurde. Um ihren Freund zu retten, reist Lena in den Süden Chiles und tritt der schrecklichen Sekte bei. Schnell lernt sie, dass es sich hierbei um alles andere als eine “Kolonie der Würde” handelt, sondern um eine durch den psychopathischen Laienprediger Paul Schäfer (Michael Nyqvist) geführte Stätte der Zwangsarbeit und Überwachung.

Von diesem Moment an beginnt der Kampf um die Flucht des Paares, wobei zwar eine atemraubend-packende Handlung in nervenaufreibenden Bildern erzählt wird, mehrere Details betreffend die Logik der Strafkolonie aber zugunsten einer konventionellen Thriller-Dramaturgie vernachlässigt werden. Unklar bleibt das Zustandekommen der Verflechtung der Sekte mit dem Pinochet-Regime sowie das kriminelle Verhältnis der deutschen Botschaft zur Kolonie. Zwar spielen Watson und Brühl ihre Angst sehr überzeugend, ihre im Drehbuch verankerten Handlungen wirken aber häufig zu heldenhaft-überzeichnet, so wie auch der Sekten-Terror leider manchmal etwas zu abartig-plakativ dargestellt scheint.

An vielen Punkten dieser Erzählung wäre somit eine gesteigerte Sensibilität gefragt, um dem realen Drama, das sich in der Colonia Dignidad scheinbar abgespielt hat, gerecht zu werden und sich diese wahre Geschichte nicht reduziert auf ihren fesselnden Unterhaltungswert zu Nutze zu machen. Etwas subtilere Bilder hätten sicherlich wirksamer für die Authentizität der Erzählung sein können. Obwohl die reale Geschichtsvorlage also eigentlich keine skandalös-plakative Aufarbeitung nötig hätte, lässt sich die Tatsache positiv bewerten, dass hier der chilenische Militärputsch und seine unwürdigen Folgen in Erinnerung gerufen werden und die Geschichte des schrecklichen Mikrokosmos‘ der Colonia Dignidad aufgearbeitet wird. Und wer eher einen packenden Thriller mit Folter-Szenarien, Verfolgungsjagden und Sekten-Faszination sucht als die authentische Darstellung zeitgeschichtlicher Hintergründe, dem sei dieser Film ans Herz gelegt.

2-3von5

Colonia Dignidad – Es gibt kein Zurück
Regie: Florian Gallenberger
Darsteller: Emma Watson, Daniel Brühl, Michael Nyqvist, Vicky Krieps, Richenda Carey
Kino-Start: 18. Februar 2016, Majestic