MR. HOLMES – Filmkritik

Mr. Holmes - Filmkritik

Man sollte dieses Leben nicht ohne das Gefühl der Vollendung verlassen.

(Sherlock Holmes – Mr. Holmes)

Es gibt wohl kaum eine ikonischere Detektivfigur als Sherlock Holmes, immer wieder wurde dieser Charakter und seine Abenteuer sowohl für die Leinwand als auch für das Fernsehen adaptiert. Wir kennen den charmanten Sherlock Holmes aus ‘The Adventures of Sherlock Holmes‘ mit Jeremy Brett, Guy Ritchies Action-Crime-Thriller Sherlock Holmes Serie mit Robert Downey Jr. und natürlich Moffats und Gatisseshigh functioning sociopath“ Sherlock mit Benedict Cumberbatch.

In Bill Condons fiktivem Biopic sehen wir eine ganz andere Version dieses Charakters: nämlich Ian McKellen als 93-jährigen, an Demenz leidenden, Sherlock Holmes. Dieser hat seine Detektivkarriere an den Nagel gehängt und sich auf sein Landhaus in Sussex zurückgezogen. Müde lächelnd und kopfschüttelnd betrachtet er die Filme über seine Person. Was die Leute nicht wissen, ist, dass sein bester Freund Dr. Watson Charakterzüge wie die Pfeife oder die Deerstalker-Mütze frei erfunden hat, um mehr Bücher zu verkaufen. Auch haben die beiden nicht immer in der 221b Baker Street gelebt, da dies aufgrund von Touristenanstürmen gar nicht möglich war. Dadurch, dass Mr. Holmes selbst über seine Figurendarstellung nur lachen kann, wird das Bild, das viele Zuschauer vom Meisterdetektiv im Kopf haben auf sanfte ironische Weise gebrochen.

In der Handlung von ‘Mr. Holmes‘ verweben sich drei unterschiedliche Geschichten miteinander, die am Ende ein stimmiges Gesamtbild abgeben: Zum einen freundet sich der Misanthrop Sherlock Holmes mit dem Sohn seiner Haushälterin (Laura Linney), Roger (Milo Parker) an und unterweist diesen in die Bienenzucht. Weiters versucht er sich an den letzten Fall seiner Detektivlaufbahn zu erinnern und diesen lösen: Der rätselhafte Tod um die junge Dame Ann Kelmot (Hattie Morahan). Aber, immer wenn er kurz davor ist, den Fall zu knacken, spielt ihm sein Gedächtnis einen Streich und er erinnert sich an gar nichts mehr. Und zu guter Letzt wird Sherlock Holmes Japan-Reise erzählt, auf der er gehofft hat, auf eine spezielle Pflanze zu stoßen, die seinen Erinnerungen auf die Sprünge helfen sollte.

Ian McKellen verkörpert diesen Charakter einfach perfekt und liefert eine schauspielerische Glanzleistung ab. Er schafft es allein mit seinem Mienenspiel uns an den Gedanken seiner Figur teilhaben zu lassen. Man kann an seinem Gesicht ablesen, was er von seinem Gegenüber hält, aber auch die Verzweiflung über sein schwindendes Erinnerungsvermögen. Denn wer wäre Sherlock Holmes ohne seinen brillanten Verstand? Dass einzig und allein seine Haushälterin und ihr Sohn ihn die Freuden des einfachen Lebens schmackhaft machen können, ist wunderbar rührend mit zu verfolgen. Auch ein Einzelgänger wie Holmes braucht Menschen um sich herum, um nicht den Bezug zur Menschlichkeit zu verlieren. Dieser Film ist eine wahre Charakterstudie, die den weltberühmten Meisterdetektiv auf eine ganz andere Weise darstellt, er erlaubt sich nämlich durchaus Momente der Schwäche. Das einzige Problem, das Zuschauer mit diesem Film haben könnten, ist, dass es keine action-geladene Kriminalgeschichte ist, sondern ein sehr ruhiges Drama, das zwar manchmal etwas langatmige Szenen hat, aber alles in allem sehr gut funktioniert.

Fazit: ‘Mr. Holmes’ ist eine respektvolle Hommage an das Popkultur-Phänomen Sherlock Holmes und nimmt alle bekannten Klischees in sehr amüsanter Weise auf die Schippe.

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Mr. Holmes (UK 2015)
Regie: Bill Condon
Darsteller: Ian McKellen, Laura Linney, Milo Parker, Hattie Morahan, Hiroyuki Sanada
Heimkino-VÖ: 22. April 2016, Alive