YUNG – Filmkritik

Bist du nervös?

(Freier – YUNG)

In Filmen, Büchern oder Serien bekommen wir vermittelt, wie schwierig der Übergang zwischen 40 und 50 ist – die Wechseljahre, die Midlife-Crisis. Dabei vergessen wir nur zu gerne, dass es schon viel früher, wenn wir noch viel jünger sind, einen Zeitpunkt gibt, an dem wir uns verloren fühlen. Es ist die Pubertät und unsere Zwanziger in denen wir einerseits frei sein wollen und auf der anderen Seite zu jeder Menge Entscheidungen gedrängt werden. Regisseur Henning Gronkowski porträtiert in seinem Spielfilmdebut YUNG diese Zeit auf brutale und realistische Weise. Vor dem Kinorelease haben wir uns den Film angesehen.

Ein junges Mädchen steigt zu einem älteren Mann ins Auto. Er fragt sie, wie die Schule war. Sie reden spärlich. Eine Sequenz später sitzt sie vor ihm auf einem Hotelbett, sie ziehen sich aus, haben Sex. Was erst wirkt wie ein Vater, der seine Tochter abholt, entpuppt sich als Freier/Sexarbeiterin-Szenario. Seinen Namen werden wir nie erfahren, sie heißt Janaina und ist eine von vier Protagonistinnen, deren Leben in YUNG erzählt wird. Die anderen drei sind Emmy, Joy und Abbie. Gefangen zwischen Drogenrausch, Sex, Liebe und Techno-Bässen taumeln die vier Teenagerinnen durch ein hedonistisches Berlin, ein Ort, an dem alles egal zu sein scheint. Weder Eltern, noch Lehrer*innen oder sonstige Erwachsene spielen eine Rolle und die Mädchen gehen gemeinsam allein durchs Leben. Immer wieder kreuzen sich ihre Schicksale, wenn zum Beispiel Janaina und Emmy eine Affäre anfangen, an die sie unterschiedliche Erwartungen haben. Es ist eine dokumentarische Fiktion über die Ängste und Abgründe junger Menschen am Rande des Erwachsen-Werdens, ein ungeschminktes Abbild der Realität.

Henning Gronkowski hat mit YUNG einen Film gedreht, der brutal und zärtlich, hässlich und schön, dunkel und doch voller Hoffnung ist. Ohne herkömmliche Erzählstränge, ohne ein Bild von Gut gegen Böse, schafft Gronkowski ein Narrativ, dass uns Betrachtende in einen Bann zieht und auch nach Ende des Films nicht loslässt. So aggressiv, wie wir mit sexueller Gewalt, Drogensucht und psychischen Abstürzen konfrontiert werden, so sehr schafft es YUNG respektvoll mit seinen Protagonistinnen und ihren Schicksalen umzugehen. Weder eine Kriminalisierung noch eine moralische Verwerfung finden statt. YUNG regt zum Nachdenken und Hinterfragen an – wir werden gefordert, hinter die Fassaden junger Menschen zu schauen und ihre Probleme ernst zu nehmen, Freundschaften wertzuschätzen und das Leben Leben sein zu lassen.

Yung (D 2019)
Regie: Henning Gronkowski
Darsteller: Janaina Liesenfeld, Emily Lau, Joy Grant, Abbie Dutton
Kinostart: 28. November 2019, Wild Bunch Germany

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Julius Tamm

Hat irgendwas mit Medien studiert, schaut gerne Filme und schreibt auch noch drüber. Autor bei bedroomdisco, FRIZZ Darmstadt, hr-iNFO Online und hessenschau Social Media.

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