Bedroomdisco Top Alben – April

Foto-© Bardha Krasniqi

Wer braucht schon einen April-Scherz, wenn sich schon der gesamte zum Stillstand gekommene Alltag wie ein schlechter Witz anfühlt. Was man vielmehr braucht ist gute neue Musik – und da hat der April zum Glück einiges zu bieten!

1. Tom Misch & Yussef Dayes – What Kinda Music (VÖ: 24.04.2020)

Der Südlondoner Multiinstrumentalist Tom Misch ist wohl einer der spannendsten Newcomer der letzten Jahre, fusioniert er doch spielerisch Hip-Hop Beats, Disco und Jazz und bewegt sich fließend durch die Genres. Yussef Dayes hingegen ist ein junger Drummer, der dem Jazz-Genre zugeordnet wird, aber durch seinen innovativen Stil für Aufsehen gesorgt hat. Dabei gehen seine Einflüsse von 70er Funk über senegalesische Percussions bis hin zu UK Grime. Ihr gemeinsames Album What Kinda Music, das am 24. April 2020 auf dem legendären Jazz- und Blues-Label Blue Note erscheint, deckt also jegliche Musikstile ab und so bewegen sich die beiden auch fließend durch Electronica, Avantgarde-Jazz, Vintage-Hip-Hop und so viel mehr. Sie nehmen den Hörer dabei mit auf eine Reise, die abwechselnd überraschend und spontan, berauschend und überwältigend ist – eine einzigartige Vision, bei der die DNA der beiden Musiker zu spektakulären Ergebnissen verschmilzt.

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2. Thundercat – It Is What It Is (VÖ: 03.04.2020)

„Dieses Album handelt von Liebe, Verlust, Leben und den damit verbundenen Höhen und Tiefen.“, sagt Thundercat über sein neues, von ihm und Flying Lotus produziertes Album. „Es ist ein bisschen ironisch, aber an verschiedenen Punkten im Leben stößt man auf Orte, die man nicht unbedingt versteht…manche Dinge sind einfach nicht dafür gemacht, verstanden zu werden.“. Wie zum Beispiel den Tod seines Freundes Mac Miller, den er auf der aktuellen Single Fair Chance thematisiert und über den er sagt: „Dieser Song handelt von Mac…als er verstarb, erschütterte er mit seinem Tod die Grundfesten unserer Künstlergemeinschaft.“ Neben Ty Dolla $ign und Lil B, die auf der aktuellen Single zu hören sind, bietet das Album noch weitere hochkarätige Features von Childish Gambino, Kamasi Washington, BADBADNOTGOOD, Louis Cole und Zack Fox. Dieses Album muss im April auf jeden Fall gehört werden!

3. The Strokes – The New Abnormal (VÖ: 10.04.2020)

Eine der letzten großen Rockbands unserer Zeit ist zurück, denn die Strokes veröffentlichen ihr erstes Album nach sieben Jahren Pause. Dafür hat man sich mit der Produzenten-Größe Rick Rubin (Johnny Cash, Beastie Boys, Kanye West, Red Hot Chilli Peppers) in die Shangri-La Studios in Malibu zurück gezogen. Die beiden ersten Vorabsongs At The Door und Bad Decisions kamen zwar noch etwas zahnlos und ohne Kanten und Hook daher, dennoch freuen wir uns auf die neun neuen Songs der Strokes, die natürlich auch für uns vorab noch nicht zu hören waren.

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4. Other Lives – For Their Love (VÖ: 24.04.2020)

Nachdem das dritte Album Rituals (oder das vierte, wenn man Flight of the Flynns mitzählt, das noch unter dem Namen Kunek erschienen war) der US-Amerikanischen Indie-Band Other Lives schon bald 5 Jahre her ist, hatte man die Band aus Stillwater, Oklahoma fast schon vergessen. Doch zum Glück nur fast. Nachdem das Kerntrio, bestehend aus Jesse Tabish (Piano, Gitarre, Vocals), Jonathan Mooney (Piano, Violine, Gitarre, Percussions, Trompete) und Josh Onstott (Bass, Keyboard, Percussions, Gitarre, Backing Vocals) schon vor den Arbeiten am letzten Album nach Portland zog und währenddessen komplett unterging aufgrund ihres Perfektionsismuss, kehren sie nun zu den Basics zurück: “Working with a computer means you can layer parts forever. I’d forgotten how to pick up a guitar and sing a song, to be more physical and primal with the music. On For Your Love, we’re playing again as a band, with a clear definition of parts instead of 20 layers drenched in reverb.” Und dieser Ansatz, plus, dass die Band erstmals seit 2006 wieder die Songs selbst produzierten steht ihnen sehr gut – wie schon die ersten veröffentlichten Songs zeigen!

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5. Anna Burch – If You’re Dreaming (VÖ: 03.04.2020)

Ihr 2018er Debütalbum Quit The Curse vereinte sonnige Riffs, verschwommene Melodien und tänzelnde Gitarren mit Gute-Laune Pop und dennoch einer unterschwelligen Melancholie. Zusammen mit Produzent Sam Evian hat sich Anna nun für ihr Zweitwerk If You’re Dreaming zum ersten Mal mit selbst auferlegten Zeitfenstern dazu gezwungen, konzentrierter zu arbeiten und den Kern eines jeden Songs zu finden. Die Arrangements wirken trotzdem luftiger, Burch bedient sich vermehrt an Jazzakkorden und neuen Instrumenten – so haucht ein Saxophon seichte Töne über den Refrain der ersten Single Not So Bad, und Tell Me What’s True kommt gar ganz ohne ihr Kerninstrument, die Gitarren, aus und dreht sich vielmehr um ein zurückhaltendes E-Piano. Mit If You’re Dreaming legt Burch mehr Wert auf Details und ein vielseitiges Arrangement der Songs. Sie wirken erwachsener und anspruchsvoller, legt größtenteils auch die Lethargie des Debüts ab, die manchem vielleicht als Langeweile erschien, ohne jedoch ihren träumerischen Grundsound zu verlieren. So ein sehr positives Beispiel des vielbeschrienen schweren zweiten Albums und eine echte Weiterentwicklung!

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Newcomer:

1. Wilma Archer – A Western Circular (VÖ: 03.04.2020)

Wo war der Typ eigentlich die letzten 10 Jahre? Ok, Will Archer schrieb die Lead-Single Confessions für Sudan Archives Debütalbum, steuerte 7 Songs zum Debüt von Nilüfer Yanya bei, arbeitete für Celeste und mit an Jessie Wares Devotion. Und er veröffentlichte eigentlich bereits 2015 ein Debütalbum unter dem Pseudonym Slime bei Domino. Damals kam es wegen der in Deutschland einflußreichen Punkband gleichen Namens zu Komplikationen um den Release herum, aus Slime wurde plötzlich Will Archer. Vielleicht so etwas wie das einzige, was vielleicht einigen noch von diesem Album hängen geblieben ist. Für A Western Circular schöpft Archer nun aus dem Vollen. Unverkennbar sind die Einflüsse aus seinen Produktionsarbeiten der letzten 10 Jahre, genauso wie das Netzwerk, das er sich aufgebaut hat. So sind Sudan Archives, MF Doom, Samuel T. Herring (Future Islands) und Laura Groves als Gastmusiker auf dem Album vertreten. Ein mutiges, reflektierendes Stück, das sich direkt auf Archers persönliche Erfahrungen von Leben und Tod bezieht und sich auf eine bestimmte Woche konzentriert. Die Themen der Platte – Gier, Liebe und Loyalität – beziehen sich alle auf diesen Zeitraum. Inspiriert durch den Autor John Fante ist A Western Circular eine spirituelle Reise durch das Leben. Auf der Platte hat Archer neue Tiefen entdeckt und einen einzigartigen Klang geschmiedet, der sein akustisches Erbe und seinen Einfluss ehrt und gleichzeitig ein Klanguniversum aufbaut, das zeitgenössische Bezüge zu allem – von Frank Zappa bis Yasuaki Shimuzu, Robert Wyatt bis Arthur Russell – aufweist. Ein Album, das sich anhört, als wäre es aus der Zeit gefallen und gerade deshalb auch so angenehm frisch daher kommt…und hoffentlich dieses Mal bei mehr Hörern hängen bleibt!

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2. Yaeji – What We Drew (VÖ: 02.04.2020)

Die US-amerikanische Koreanerin Yaeji surft schon seit einiger Zeit auf einer übergroßen Hype-Welle – weltweit ausverkaufte Shows, BBC Sound of 2018 Nominierung, Remixe für Songs von Charlie XCX und Robyn und nun kommt ihr neues Mixtape beim Adele-Label XL Recordings. Es ist auf jeden Fall klar: Yaeji ist zu einer globalen Playerin einer neuen quirligen Szene geworden. Auf What We Drew 우리가 그려왔던 verwischt sie dabei die feine Linie zwischen DIY-Pop und dem Sound der New Yorker Underground-Club-Szene.

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3. Maxi Phoenix – Boys Toys (VÖ: 03.04.2020)

Ein wirklicher Newcomer ist der oberösterreichische Sänger, Songwriter und Rapper ja eigentlich nicht mehr – dennoch ist Boys Toys das Debütalbum von Mavi Phoenix – und dazu auch noch ein Konzeptalbum! Ergo: hier gibt es mehr zu besprechen als zuvor auf Singles und EPs und hier gibt es ein durchgängiges Thema. Und Mavi Phoenix hat in der Tat sehr viel zu erzählen. Denn er sucht und findet sich. Boys Toys ist dabei nicht nur der Titel des Albums und der zweiten Single-Auskopplung, es ist auch der Name einer kindlichen Persona, die Mavi durch 12 Songs und Nuancen alter und neuer Identitäts-Bausteine begleitet. Boys Toys ist eine spontan im Studio entstandene Figur mit verfremdeter Stimme, die uns seine Scary Thoughts anvertraut, sich auf das Weekend freut, oder sich nach der Solidaritätserfahrung einer gemeinsam gesungenen Hymne besser fühlt (Who I Am). Gespielt wird dabei nicht nur mit Spielzeug für Jungs, sondern mit verschiedensten Männlichkeits-Narrativen – der sexy Fuckboy (Strawberries)  findet genauso Platz wie der Familienvater 2020 (Family) oder der aggressive Raufbold (Choose Your Fighter). Klar wird Mavi Phoenix dabei musikalisch weiterhin die Hörerschaft spalten, dennoch ist Boys Toys auf jeden Fall künstlerisch wie konzeptionell eine Besonderheit und beispielhaft für eine zeitgeistige Abhandlung der Suche nach einer Gender Identity.

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Wiederkehrer: Lanterns On The Lake – Spook The Herd (VÖ: 21.02.2020)

Die Alben der Briten von Lanterns On The Lake lagen uns schon immer arg am Herzen, weiß die Band um Sängerin Hazel Wilde doch wie kaum eine andere britische Band große Gefühle in herzzerbrechende Songs zu formen – und ihr neues, viertes Album wirkt als hätten sie bei der Aufnahme schon die aktuelle Situation vorausgeahnt. Denn hier treten Hazel Wildes Stimme und ihre Besorgnis in den Vordergrund wie nie zuvor. Gleichzeitig beschreitet die Band mit einer Reihe von Songs, die unvermeidlich direkt und entscheidend sind, Neuland. Wilde kreierte den Großteil der Songs in Isolation bevor die Band diese verfeinerte. Über die erste Single Every Atom erklärte die Frontfrau: “This is a song about grief and how your subconscious takes a long time to accept when someone is dead and gone forever, even when the rational side of you understands it. I put that idea into a story where the narrator is my subconscious searching for someone in this dream-like fictional world. I go to the extremes to search for even just a trace of them… through all of space and time, splitting every atom, ‘until Andromeda and the Milky Way collide’. I won’t give up. I can’t let go.” 

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Dominik

Bedroomdisco-Gründer, Redaktions-Chef, Hans in allen Gassen, Golden Leaves Festival Booker, Sammler, Fanboy, Exil-Darmstädter Wahl-Hamburger & happy kid, stuck with the heart of a sad punk - spreading love for great music since '08!

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