SON LUX – Tomorrows III


Foto-© Djeneba Aduayom

Do I detect the changes I create
Or create the distance I detect?
I only wanted to correct it
Tried to finish what I never made

(Son Lux – Plans We Make [ft. Kadhja Bonet])

Kein Jahr ist seit dem ersten Teil vergangen, schon bringen Son Lux ihre Albumtrilogie Tomorrows zum krönenden Abschluss. Das Trio um Ryan Lott wollte alles in Frage stellen – und anschließend neu zusammensetzen. Und genau da setzt Teil III an – sollte man meinen. Denn mit dem Opener Unbind stürzt das Album sich und seine HörerInnen gleich mitten hinein in einen bombastischen Sturm aus Streichern und gniedelnder E-Gitarre, aus dem alle Beteiligten ziemlich lädiert hervorgehen. Willkommen zu Ryan Lott gegen sich und den Rest der Welt, Runde Drei.

Wie gut, dass er gemeinsam mit Drummer Ian Chang und Gitarrist Rafiq Bhatia nicht nur eine wahnwitzige Palette an Sounds auffährt, sondern jedes bisschen Dynamik ausreizt: Songs wie A Different Kind Of Love wechseln zwischen drückenden Basslinien, raumfüllender Percussion und voller orchestraler Breitseite – und wenige Minuten später nimmt das Album die nächste Wendung. Um die Fernsehmetapher zu bemühen: Das Erzähltempo zieht zum großen Finale ordentlich an. Kaum ist der Einstieg verwunden, dröhnt Upend zwischen den Subbässen wie ein Jagdsignal – und entsprechend getroffen schleppt sich kurz darauf Plans We Make dahin: In Begleitung von Kadhja Bonet greift Lott die Motive der früheren Teile wieder auf, wobei sich Resignation in sein klagendes „I’m not asking for release / I’m afraid to let you go” eingeschlichen hat. Dabei war die Hoffnung nie greifbarer: Allein all die Streicher und Chöre schlagen, wenn sie nicht gerade malträtiert werden, ziemlich versöhnliche Töne an. Was immer zu Beginn alles zerschlagen wurde – Tomorrows III setzt es wieder zusammen.

Ob hypernervöse Drums, die auf dem wenig erholsamen Come Recover den sanften Vocoder-Singsang konterkarieren, oder das epiloghafte Vacancy, dessen smoother R’n’B-Sound bis zum Schluss von knisternden Klangtexturen begleitet wird: In einer perfekten Welt wäre vermutlich jeder bombastische Popsong so detailversessen produziert wie diese Tracks. Die klangliche Materialschlacht, die – die Vorgänger eingerechnet – Son Lux hier darbieten, entschuldigt das im Finale beinahe unvermeidliche Abrutschen ins Kitschige. Doch die Leichtfüßigkeit, mit der zuvor Tomorrows II um die großen Dramen tänzelte und auf ein zweites Easy hoffen ließ, erreicht der Nachfolger nicht.

Tomorrows III klingt an allen Ecken und Enden nach Finale – und strapaziert mit dem Verlangen, gemeinsam mit seinen Vorgängern gehört zu werden, auch die letzte Hörgewohnheit. Wer sich die Zeit nimmt, erlebt nach drei Stunden ständigen Auf und Abs, wie sich alles zusammenfügt. Son Lux haben die Grenzen des Pop ausgelotet, gebrochen, neu gezogen. Und jetzt? Wie geht es weiter, nach dem Ende des Post-Rock? Nun, man traut sich gerade kaum, das eigentlich banale Wort in den Mund zu nehmen – aber live würde Tomorrows I-III verdammt gut klingen.

Son Lux – Tomorrows III
VÖ: 16. April 2021, City Slang
www.sonluxmusic.com
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