JAMES YORKSTON, NINA PERSSON & THE SECOND HAND ORCHESTRA – The Great White Sea Eagle


Foto-© Anna Drvnik

Today you say you found an upturned crab
An upturned crap
How unfortunate I was to have missed that

I would have loved to have seen
Your mind working out this salty little scene
Discussing all the truths playing out in front of you

I lived a life on the road
And I thought I was doing grand
But the gold remained at home
And I missed watching you grow
How I missed watching you grow

Today you say you found an upturned crab
An upturned crap
How unfortunate I was to have missed that

(James Yorkston, Nina Persson & The Second Hand Orchestra – An Upturned Crab)

Seine Songwriter-Kunst muss James Yorkston nicht mehr beweisen – die kennen Fans guter britischer (respektive schottischer) Folk-Musik bereits seit rund 20 Jahren, als er mit Moving Up Country debütierte. Und doch zeigt der freundliche Mann aus der Küstenregion Fife stets aufs Neue, wie sensibel er Texte und Töne zu eindringlichen Liedern verbinden kann. Jüngstes Beispiel: An Upturned Crab, eine melancholische Schilderung der stillen Sehnsucht eines reisenden Musikers, der oft seine Familie zurücklassen muss und deren tägliches Leben daher ein Stück weit verpasst. Wunderschön.

Der Song ist der wohl bewegendste unter vielen sehr guten auf Yorkstons aktuellem Album The Great White Sea Eagle, das er erstmals mit einer bekannten Co-Sängerin (Gastsängerin wäre untertrieben) eingespielt hat. Eine gewisse Nina Persson holte er sich dafür an Bord. Ja genau, die inzwischen 48 Jahre alte Frontfrau der hochgeschätzten schwedischen Nineties-Indiepop-Band The Cardigans, die danach Platten mit Ehemann Nathan Larson im Projekt A Camp und die Soloscheibe Animal Heart (2014) vorlegte – und dann lange nichts Neues mehr.

Eine unerwartete Partnerschaft ist das, aber zugleich eine sehr willkommene, denn das Ergebnis der gemeinsamen Aufnahmesessions in Cellardyke und Stockholm klingt mehr als überzeugend. Diese beiden Stimmen – der herbe, nicht auf Wohlklang getrimmte Bariton des britischen Folkies und der helle, liebliche Gesang der gereiften Pop-Dame aus Schweden – harmonieren erstaunlich gut. Etwa im Singalong-Track Hold Out For Love – man möchte als Hörer sofort einstimmen in diese mitreißend geträllerte Ohrwurmmelodie. Eigentlich ein klarer Folkpop-Hit, wie ihn einst Yorkstons schottische Landsleute The Proclaimers mit I’m Gonna Be (500 Miles) schafften. Aber das wäre irgendwie gar nicht sein Ding, “denn ich fühle mich sehr wohl unter dem Radar”, wie Yorkston im Interview glaubhaft versichert.

Auch ohne Hit dürfte The Great White Sea Eagle zu den stärksten Platten in der Laufbahn dieses fleißigen und experimentierfreudigen Singer-Songwriters zählen. Und das hat, neben der charismatischen Vokal-Präsenz von Nina Persson, mit seiner Backing-Band zu tun. Das ebenfalls schwedische Second Hand Orchestra unter Leitung von Karl-Jonas “KJ” Wingqvist war schon beim etwas spröderen Yorkston-Vorgänger The Wide Wide River dabei, in den noch runderen, melodischeren neuen Songs entfaltet sich die Klasse dieses Ensembles nun erst so richtig. “Eine große Pop-Sensibilität, (…) voller Neugier und Gefühl”, attestiert Persson den Mitstreitern an Blas- und Streichinstrumenten.

Yorkston hat die Lieder von The Great White Sea Eagle (darunter das Titelstück als faszinierender Spoken-Word-Track) erstmals nicht an der Gitarre, sondern am Klavier entwickelt. Das eröffnete ihm “neue Töne, neue Akkorde auch, neue Inspirationen”. Tatsächlich klang dieser Songwriter lange nicht mehr so zugänglich und weich, fast schon altersmilde mit seinen gerade mal 51 Jahren. Es wäre Yorkston (und uns) daher zu gönnen, dass sich sein Wunsch nach einer Fortsetzung des Kooperationsprojekts mit Nina Persson erfüllt.

Zuerst einmal gehen die beiden demnächst gemeinsam auf Tournee und kommen auch nach Deutschland. Möglicherweise ist dann, wie in den Videos zum Album, auch Radiohead-Schlagzeuger Phil Selway mit auf der Bühne, ein alter Freund von James Yorkston. Wie es mit Perssons Pop-Karriere weitergeht, steht indes noch nicht fest. Schlechte Nachricht für Cardigans-Fans: Eine Band-Reunion mit neuer Studioplatte – es wäre die erste seit Super Extra Gravity von 2005 – hat Nina gerade erst ausgeschlossen: “Ich habe mir die Frage selbst immer wieder gestellt, sie hing für Jahre in der Luft. Aber nein, das wird es nicht geben.” Die Cardigans wollten auch künftig lediglich “weiterhin Konzerte spielen”.

James Yorkston, Nina Persson & The Second Hand Orchestra – The Great White Sea Eagle
VÖ: 13. Januar 2023, Domino
www.jamesyorkston.co.uk
www.facebook.com/ninaperssonofficial

YouTube video

Werner Herpell

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