GANJA & HESS – Filmkritik


Foto-© Rapid Eye Movies

Drink this in remembrance, that Christs blood was shed for thee.

(Dr. Hess Green – Ganja & Hess)

Nachdem er durch einen antiken Dolch verletzt wird, verspürt der Arzt Hess (Duane Jones) einen unstillbaren Blutdurst. Dies ist eines von vielen Verlangen, die er mit Ganja (Marlene Clark), der Frau seines Chefs (Bill Gunn) teilt.

Der Plot mag simpel erscheinen und dennoch kann man Ganja & Hess komplett durchschauen, ohne auch nur diese wenigen Details hinterher mit Sicherheit dem eben gesehene zuordnen zu können. Es ist zwar nicht falsch, den Film in die Schubladen Blacksploitation und Vampirfilm zu sortieren, aber zunächst einmal ist der Film ein Fiebertraum oder vielmehr ein Drogenrausch. Denn diese Metapher, Blut als Droge, als Rauschmittel, vor allem aber als zerstörerische Abhängigkeit ist eines der zentralen Themen des Films. Wo der Film einerseits viel von der Handlung nur andeutet und scheinbar zusammenhanglose Szenen aneinander reiht, wird dem Zuschauer an anderer Stelle viel erzählt. Im Laufe der knapp zwei Stunden wenden sich alle drei Protagonisten mehr oder weniger direkt an den Zuschauer und erzählen von ihrem Leben, ihren Leiden und ihren Ansichten. Diese Monologe und Dialoge sind streckenweise verschachtelt und predigend, dann aber wieder sehr lebensnah, in einer Art, wie sie viel später Quentin Tarantino salonfähig machte. Eben jener hätte auch an einer längeren Fußmassage gegen Ende des zweiten Aktes seine helle Freude gehabt. Ansonsten gibt sich der Film, nach heutigen Maßstäben recht zahm, was sowohl Sex als auch Gewalt angeht. Was jedoch nicht heißt, dass es nicht doch ein oder zwei schockierende Szenen gibt, die auch heute noch nachwirken.

Eine weitere Ebene in dem Film, neben der Blut/Drogen Analogie, ist der Einfluss der Kirche. Auch dies fügt sich sehr organisch in die Vampirthematik, wie auch analog in den sehr einflussreichen Platz im Leben von Afroamerikanern in den 70er Jahren ein. Interpretation beiseite, nehmen die sehr langen Gospelszenen, die nicht immer direkt in den Plot eingebunden sind, auf jeden Fall einen dominanten Platz in dem Film ein.

Bei so viel Anspruch und einem hauchdünnen Plot liegt es an den Darsteller und ihrer Performance den Zuschauer zu fesseln und hier liefern Duane Jones und Marlene Clark auf ganzer Linie ab. Ersteren kennen Genrefans aus dem fünf Jahre früher entstandenen Klassiker Night of the Living Dead, wiedererkennen werden sie ihn aber kaum. Zwar ist er in beiden Filmen jederzeit Herr der Lage, aber wo er fünf Jahre zuvor glattrasiert und leicht bieder daherkam, trägt er hier sein Hemd offen, den Bart voll und hat mehr Swag als der Cast von Creed III. Ähnlich selbstbewusst und verführerisch spielt auch Marlene Clark als Ganja auf, deutet aber gleichzeitig ein sehr verletzliches Inneres an. So ist es absolut glaubwürdig, dass die beiden einander, so wie die meisten Zuschauer ihnen, verfallen.

Dass Bill Gunn, der neben der Regie auch noch die quasi dritte Hauptrolle übernimmt und das Drehbuch geschrieben hat, hier einen ganz besonderen Film abgeliefert hat, steht somit außer Frage. Dank Rapid Eye Movies ist dieser nun nicht nur endlich wieder in Deutschland verfügbar, sondern auch noch ungeschnitten und sogar mit einem limitierten Kinorelease. Wobei der Film aufgrund der experimentellen Machart nicht unbedingt Pflichtprogramm für Genrefans ist, sondern eher für Fans des Arthouse Kinos, definitiv aber für Fans von beidem. Jeder, der die Chance hat eine der wenigen Vorstellungen abzupassen, sollte dies aber in Erwägung ziehen.

Ganja & Hess (USA 1973)
Regie: Bill Gunn
Besetzung: Duane Jones, Marlene Clark, Bill Gunn
Kinostart: 12. März 2023, Rapid Eye Movies

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Malte Triesch

Malte wuchs im idyllischen Lilienthal, direkt an der Grenze zu Bremen, der schönsten Stadt im Norden Deutschlands, auf. Seine frühesten Film-Erinnerungen ist, auf dem Schulhof in der neusten TV Movie alles anzustreichen was gesehen und aufgenommen werden muss. Da die Auswahl an Horrorfilmen hier doch recht be- oder zumindest stark geschnitten war entdeckte er Videotheken für sich bzw. seine Mutter, da man diese ja erst ab 18 betreten durfte. Wenn er nicht gerade Filmreviews schreibt ist er wahrscheinlich im (Heim-)Kino oder vor dem Mikrophon für den OV Sneak Podcasts, SneakyMonday.

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