BRUCKNER – Zerrissen


Foto-© Dario Suppan

Der Himmel schält sich außen blau
Und rollt den roten Teppich aus
Wir streunen durch den Morgentau
Komplett verlor’n doch wir fall’n nicht auf

Wir leben zwischen Tag und Nacht, ja
Millionen im Sekundenschlaf
Komm lass los, gib dem ziehen nach
Genieß die Kurven, spür die Fliehkraft

(Bruckner – Zerrissen)

Das Gute-Laune-Duo des Indie-Pops ist wieder da: Bruckner haben ihr zweites Album Zerrissen released – und eine Menge Frühsommer-Vibes im Gepäck. Hin- und hergerissen zwischen Identitätskrise und Alltagshedonismus besingen die Bruckner-Brüder Kleinstadterinnerungen und Großstadtabenteuer. Dabei zeigt die Band mit jedem Track, dass deutscher Indie-Pop in vielen Nuancen schimmern kann.

Seit ihrem Debütalbum Hier aus 2020 hatten die Brüder zwei Jahre Pandemie und eine verschobene Tour Zeit, um an neuen Songs zu arbeiten. Die 18 Tracks von Zerrissen entstanden dabei hauptsächlich im WG-eigenen Studio in München. Bruckner knüpfen sowohl musikalisch als auch thematisch da an, wo sie 2020 aufgehört haben – Fans dürfen sich wieder über tanzbare sowie nachdenkliche, aber vor allem immer authentische Tracks freuen, große Überraschungen bleiben allerdings aus.

Mit Zerrissen werden wir direkt in den Albumtitel-gebenden Song manövriert, der uns mit großem Ohrwurmpotenzial und sommerlichen Synthies einen Vorgeschmack auf laue, durchtanzte Sommernächte gibt. In frühmorgendlicher Leichtigkeit zu zweit ist dann auch das Zerrissenheitsgefühl einer ganzen Generation aushaltbar. Unglücklich verliebt ist der Protagonist daraufhin in Worst Case Band. Doch verpackt in poppige Indie-Tunes wirkt der Liebeskummer fast schon seicht und die Melancholie inszeniert. Anders bei Lost: Die ruhige Ballade ist ehrlich und tiefgründig und trifft uns da, wo es wehtut. Zwischen all den lebendigen Momenten auf dem Album drückt dieser Track auf Pause – und erklärt gleichermaßen simpel wie präzise ein Gefühl von Verlorenheit, das man sonst schwer in Worte fassen kann. In einem Leben, in dem wir tausende Möglichkeiten haben und alles sein können, ist es gar nicht so einfach, herauszufinden, wer wir sein wollen. Wer wir sind verhandelt diesen täglichen Spagat der Generation Z: „Und alle – alle – sagen, du sollst sein wer du bist. Und ich habe keine Ahnung, wer das eigentlich ist.“ Drum & Bass-Elemente bringen eine Schnelligkeit in den Song, die unsere rasante Lebensgeschwindigkeit perfekt widerspiegelt.

Indigo erinnert mit seinem funky Vibe an Songs von JEREMIAS. Nero und Fuji bringen wummernde, elektronische Clubsounds aufs Album und läuten die Outdoor-Partysaison ein. Auch Daydrinking feiert den sommerlichen Hedonismus und kommt mit lässig-entspannten Tunes um die Ecke. Auf Mein großer Bruder zeigen Bruckner noch eine weitere Facette ihres ganz eigenen Indie-Pop-Begriffs: rockige Riffs untermalen die Ode an das Familienmitglied.

Bruckner liefern mit Zerrissen ein Album wie die besungenen Vintage-Fotografien: da werden alltägliche Augenblicke und Gefühle eingefangen und klanglich verdichtet, bis ein verwaschenes Bild in warmen Farben entsteht, das die Wirklichkeit ein kleines bisschen schöner wirken lässt, als sie eigentlich ist. Und was wünschen wir uns zum Beginn des Frühsommers mehr als ein wenig musikalische Nostalgie?

Bruckner – Zerrissen
VÖ: 21. April 2023, Columbia
www.bruckner-musik.de
www.facebook.com/BrucknerMusik

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Insa Germerott

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