PORTUGAL. THE MAN – Chris Black Changed My Life


Foto-© Maclay Heriot

Life is the rolling thunder
When the lights go out
But I’ll be much stronger now
Gotta hold the whole world in my arms
Life is a circus
Send in the clowns
Can’t keep my head up
When your god is looking down

(Portugal. The Man – Doubt)

Kürzlich habe ich eine Online-Diskussion zu der Frage verfolgt, warum es seit einigen Jahren eigentlich nicht mehr „diesen einen Sommerhit“ gibt. Natürlich stimmt das nicht ganz (Watermelon Sugar oder Despacito heben die Hand), aber die Frage ist trotzdem interessant, aufgrund ihrer Prämisse: Kein Radio mehr, keine eine Popkultur, dazu mehrere Pandemie-Sommer infolge. Und dann wäre da noch der Zufall, das Gefühl, genau zum richtigen Zeitpunkt zu kommen, das gewisse Etwas, das ein Sommerhit braucht. Man kann ihn nicht erzwingen.

Portugal. The Man versuchen genau das aber ziemlich verkrampft auf ihrem Sommeralbum Chris Black Changed My Life, dessen kontemplativer Titel niemanden länger als 30 Sekunden lang täuschen wird. Anders als auf der jüngsten Foo Fighters Platte findet hier keine – nicht einmal oberflächliche – Auseinandersetzung mit dem Tod eines geliebten Menschen statt. Zumindest wäre es doch eine Überraschung, sollte sich in Zeilen wie „So high, feelin’ fine“ eine versteckte Botschaft an den Freund der Band Chris Black stecken, dessen Tod das Album inspirierte.

Die Zeile stammt aus Summer of Luv, dem klarsten Sommerhit-Versuch unter einigen. Das Feature mit dem Unknown Mortal Orchestra ließ Herzen im Vorhinein höherschlagen, und auch die ersten Sekunden mit dem fantastischen Gitarren-Riff versprechen noch einiges. Danach geht alles den Bach runter. Das Saxophon im Refrain ist schwer erträglich, lyrisch befindet sich Sänger John Gourley auf einem absoluten Tiefpunkt, inklusive deplatzierter Pink-Floyd-Hommage: „Turn on tune in drop out, Just another brick in the wall of doubt.”

Sind das alles noch die Nachbeben von Feel It Still? Der Überhit der Band aus Portland war eine Zäsur, nach über zehn Jahren Bandgeschichte auf einmal der große Erfolg – über 1,1 Milliarden Streams zählt der Song auf Spotify. Gewissermaßen war es eine Bestätigung des Weges, den die Gruppe um Gourley 2011 nach ihrem Major Signing eingeschlagen hatte: Seit In the Mountain in the Cloud ist Portugal. The Man eine Pop-Band.

Daran ist erst einmal nichts auszusetzen, wären da nicht die spannenden frühen Alben der Band und der langsame Abstieg danach. Gute Momente gab es immer wieder, besonders auf dem von Danger Mouse produzierten Evil Friends. Doch rückblickend gaben sich Qualität und Erfolg auf genau jenem Album die Klinke in die Hand. Die erstere war auf dem Weg nach unten, der zweitere begann seinen Aufstieg. Es folgte Woodstock, es folgte Feel It Still.

Nach sechs Jahren Pause also nun Chris Black Changed My Life. Summer of Luv ist – wenn man nicht auf den Text hört – noch einer der besseren Tracks auf der Platte, er könnte tatsächlich ein Sommerhit sein. All die anderen kläglichen Versuche haben keine Chance.

Da wäre Thunderdome [W.T.A], das die wohl interessanteste Feature-Kombi seit dem letzten Minions-Film bietet: PTM mit Black Thought und Natalia Lafourcade. Aber die Enttäuschung könnte nicht größer sein. Lafourcade trällert nur eine kurze Hookline („You know you want it if you leave somebody you love”), und Black Thought bekommt ein nicht weiter zum Song passendes Outro.

Oder Doubt, eigentlich eine klassische Klavierballade, jedoch mit so viel Hall und elektronischen Streichern verunstaltet, dass das Ganze klingt, als hätte eine mittelmäßige KI einen Elton-John-Song für das Jahr 2023 produziert. Und davon hatten wir in den letzten Jahren ja tatsächlich schon genug.

Und immer wieder wundert man sich darüber, dass sich in der langen Vorbereitung, die in das Album floss, keine besseren Texte finden ließen. Während Zeilen wie „Life is a memory, today is all that we have” auf Plastic Island sich noch als Wandtattoo eignen, fällt einem bei “Don’t need astrology to tell the sun to lead, Just follow the signs and you’ll see” auf Time’s a Fantasy nicht mal mehr ein Gag ein.

Zu den besseren Momenten gehört die Vorabsingle Dummy, die ein einigermaßen kreatives Sample und die altbekannten Erfolgszutaten (John Gourleys Falsetto, gute Basslinien) mischt. Auch der chaotische Track Champ ist mit einem Edgar Winter Auftritt und In-your-face-Politik irgendwie sympathisch. Dort, wo noch etwas Anarchie herrscht oder die verbliebenen psychedelischen Klänge einer anderen PTM-Zeit Raum bekommen, hört man gerne zweimal hin.

Dazu kommt, dass Chris Black Changed My Life mit 31 Minuten knackig und durch den einen oder anderen gelungenen Übergang mit einem guten Flow ausgestattet ist. Das reicht nicht für ein gutes Album, doch für ein einigermaßen stimmiges. Ein Feel It Still 2.0 ist allerdings nicht dabei – und genau darauf scheint die Band es abzusehen in der Radiopop-Schiene. Hoffentlich bleibt dies der letzte Wiederbelebungsversuch.

Portugal. The Man – Chris Black Changed My Life
VÖ: 23. Juni 2023, Atlantic
www.portugaltheman.com
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Phillip Kaeding

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