NICK DRAKE – The Endless Coloured Ways – The Songs Of Nick Drake

Betty came by on her way
Said she had a word to say
About things today
And fallen leaves

Said she hadn’t heard the news
Hadn’t had the time to choose
A way to lose
But she believes

Going to see the river man
Going to tell him all I can
About the plan
For lilac time.

(Feist – River Man)

Gibt es ein schöneres Lied als River Man von Nick Drake? Sorry Bob, sorry Bruce, sorry Paul – dieser Autor sagt Nein. Wenn ein Singer-Songwriter seine Schwermut und Sensibilität jemals in geniale Lyrics und Harmonien verpacken konnte, dann dieser 1974 mit gerade mal 26 Jahren wohl durch Suizid gestorbene Engländer. Am 19. Juni wäre Drake 75 geworden, wenn er denn länger gelebt und der Welt vielleicht noch so manche perfekte Platte geschenkt hätte wie Five Leaves Left (1969), Bryter Layter (1970 ) und Pink Moon (1972) – sein schmales, längst ikonisches Gesamtwerk.

River Man wird nun wieder einmal neu interpretiert, und wer könnte das anrührender als die ebenfalls so zartbesaitete wie sensible kanadische Musikerin Leslie Feist. Ihr fabelhaftes Cover des Drake-Schlüsselsongs befindet sich auf dem Tribute-Album The Endless Coloured Ways – The Songs Of Nick Drake, das 25 Versionen seiner melancholischen Folk-Jazz-Songs versammelt – dargeboten “von 32 der talentiertesten Künstler des gesamten musikalischen Spektrums”, wie das Label Chrysals zu Recht schwärmt.

Fast 50 Jahre nach seinem einsamen Tod sei „der tragische Mythos” von Nick Drake ungebrochen, schrieb das renommierte UK-Musikmagazin Uncut kürzlich in einer großen Titelstory. Auch die Konkurrenz Mojo hatte den lange Zeit fast vergessenen Singer-Songwriter auf dem Cover und nannte ihn ein „Genie“ des englischen Folk. Ungefähr seit Mitte der 1990er Jahre aber wird Drake von unterschiedlichsten Musikern aus aller Welt entdeckt und meist vergöttert, wie sich in zahllosen inspirierten Versionen seiner Lieder (es sind insgesamt ja kaum mehr als 40) immer wieder zeigt.

Die Macher von The Endless Coloured Ways haben es sich zum Glück nicht zu leicht gemacht mit ihrem Tribute. Auf durchaus denkbare Weltstars wie Peter Gabriel, Sting oder Elton John (der Ende der 60er Jahre selbst als junger Studiomusiker bei Probeaufnahmen von Nick Drake dabei war) und auf Jazz-Koryphäen wie Norah Jones oder Brad Mehldau (seit langem öffentlich bekennende Drake-Verehrer) wurde verzichtet. Dafür sind diverse britische Pop-Größen (Guy Garvey von Elbow, Bombay Bicycle Club, Philip Selway von Radiohead, die Soul-Dame Emeli Sandé) zu hören, außerdem hoch angesehene US-Musiker wie Christian Lee Hutson, Ben Harper, Joe Henry, Meshell Ndegeocello, Liz Phair oder John Grant.

Weil das Album auch auf modernere Interpretationen von Drake-Songs setzt und nicht auf reines Nachspielen/Nachsingen, gibt es viele spannende Entdeckungen zu machen: Let’s Eat Grandma etwa mit From The Morning; die schottische Sängerin Karine Polwart und ihr Partner Kris Drever mit der herrlichen Ballade Northern Sky; Katherine Priddy mit dem erst nach Drakes Tod entdeckten Lied I Think They’re Leaving Me Behind, das hier so cineastisch opulent daherkommt wie ein James-Bond-Song; die irische Post-Punk-Band Fontaines D.C. (deren Frontmann Grian Chatten gerade sein durchaus von Nick Drake inspiriertes brillantes Solodebüt Chaos For The Fly vorgelegt hat) mit einem aufgerauten Cello Song; die Norwegerin Aurora mit dem bewegenden Pink Moon.

Apropos Pink Moon: Ausgerechnet dieser Song aus der gleichnamigen, bereits sehr depressiven Schwanengesang-Platte brachte Nick Drake posthum den Durchbruch, als seine zarte Melodie die Bilder einer Autowerbung unterlegte. Seitdem ist viel passiert für seinen nachträglichen Ruhm, und es wurde/wird viel geschrieben, um den großen Singer-Songwriter und virtuosen Fingerpicking-Gitarristen angemessen zu würdigen als das, was er war: ein bedeutender Folk-Pionier, der an mentalen Problemen und am Desinteresse seiner Umgebung scheiterte. Die ambitionierte Cover-Kompilation The Endless Coloured Ways wird dem popgeschichtlichen Auftrag, das Genie Nick Drake ins Hier und Jetzt zu stellen, voll gerecht.

The Endless Coloured Ways – The Songs Of Nick Drake
VÖ: 07. Juli 2023, Chrysalis
www.brytermusic.com
www.facebook.com/NickDrakeOfficial

YouTube video

Werner Herpell

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