SAY SHE SHE – Interview

Foto-© Matt Holyoak

Gerade nicht so gut, die Stimmung? Dann helfen Say She She. Ihr C’est Si Bon war im Sommer der Ohrwurm schlechthin und erregte Vorfreude. Nun erscheint Silver, das zweite Album des Trios. Piya Malik, Sabrina Mileo Cunningham und Nya Gazelle Brown haben sich in New York kennengelernt, auf Partys und bei Szene-Treffs oder – wie Piya und Sabrina – als Bewohnerinnen im selben Gebäude. Wenn sie zusammen singen, kann man hoch greifen und an Gesangsgruppen des Soul denken, an The Supremes, The Three Degrees oder Rotary Connection. New Wave mit den Talking Heads an der Spitze spielt ebenso hinein wie vieles, was während der Disco-Ära und kurz danach kam.

Piya ist die kommunikativste der drei Frauen. Sie ist in London aufgewachsen und war hauptberuflich auf dem politischen Parkett tätig. Auf Wahlkämpfen und in Lobbygruppen. Nebenbei widmete sie sich ihrer wahren Leidenschaft, der Musik. Sie war im Studio an Sessions beteiligt und sang im legendären Ronnie Scott’s Jazz-Standards. „Ich war nie Mitglied in einer Band, weil mir dafür die Zeit, aber auch der Mumm fehlte“, erinnert sie sich. „Das änderte sich erst in New York. Ich bin in den Staaten geboren und wollte dort wieder hin, weil ich es in Britannien unter der konservativen Regierung nicht mehr ausgehalten habe. Besonders nicht als Redeschreiberin für die Opposition.“ Eine lange Eingewöhnungszeit brauchte sie nicht, sie kam im Big Apple schnell mit Künstlern in Kontakt. „Auf einer Party traf ich diesen coolen DJ, der großartiges Zeug spielte. Es stellte sich heraus, dass es Sal Principato von Liquid Liquid war. Er lud mich ein, für seine Punk-Band zu singen. Das gefiel mir sofort, weil ich da improvisieren konnte und nichts einstudieren musste.“ In London sei es üblich, dass man mit Leuten aus derselben Altersgruppe zu tun habe. In New York treffe man Vertreter verschiedener Generationen. Meistens Männer. Was Piya nicht als Dauerzustand akzeptierte. „Ich wollte lieber mit Frauen arbeiten, so wie es bei mir früher in Chören war. Ich traf Nya, die in lokalen Bands sang. Sabrina tat es unter mir in der Wohnung. Ich selbst war mal mit Chicano Batman auf Tour. Als wir drei zusammen was ausprobierten, merkten wir schnell, dass unsere Stimmen eine Einheit ergeben.“

Bei der Suche nach einem Namen einigte man sich schnell auf Say She She. Er passt in doppelter Hinsicht. Zum einen wollen die Sängerinnen zeigen, wie sich als Frauen in der Welt von heute fühlen. Als Beispiel nennt Piya den Song Norma (benannt nach dem bürgerlichen Vornamen der Klägerin Jane Roe im Abtreibungsfall 1970 in Texas). „Er entstand 2022 an dem Tag, als sich zum ersten Mal ankündigte, dass der Oberste Gerichtshof das landesweite Recht auf Abtreibung kippen wird. Das versetzte sehr, sehr viele Frauen in diesem Land in einen Schockzustand. Wenn so etwas passiert und wir uns persönlich berührt fühlen, halten wir es als Band für logisch, dass wir uns mit dem Thema beschäftigen und es ansprechen. Ich erinnere mich noch gut, wie unsicher ich selbst als Teenager und in den Jahren danach war. Jetzt fühle ich mich stärker, setze ich mich engagiert mit Dingen auseinander. Wir denken in der Band alle so. Wir wollen junge Mädchen und Frauen unterstützen, wenn sie sich in einer schlimmen Situation befinden.“ Nya hält nichts von der Ansage von Managern und Mitarbeitern in Plattenfirmen, die es besser finden, wenn in Texten keine politischen Inhalte vorkommen. „Klar wollen wir mit unseren Songs so viele Menschen wie möglich erreichen. Aber nicht um jeden Preis. Niemand kann von uns erwarten, dass wir uns im Sinne von Geld und Popularität als Menschen verstellen. Aussage ist uns wichtig. Wir wollen Menschen erreichen, sie berühren, Zeichen setzen. Für Dinge einstehen, an die wir glauben. Laut und stolz sein.“

Und bei allem nicht die Lockerheit vergessen. Sie ist das hervorstechende Markenzeichen von Say She She und wird über Gesang und Musik vermittelt. Womit wir bei der zweiten Erklärung für die Bedeutung des Namens wären. „C’es si bon, c’est si chic“, heißt es zu Beginn im Hit. Man muss nicht lange suchen, wer gemeint ist. Natürlich geht es um die Band Chic, und da besonders um einen Titel. „Wir mögen alle Le Freak“, informiert Piya. „Der Song steht exemplarisch für die Wirkung der Band. Er kreiert einen Vibe, sorgt für Bewegung in Körper und Geist. Für mich ist das verdammt hilfreich. Ich funktioniere normalerweise besser im Studio als auf der Bühne. Hier ist das anders. Sabrina und Nya bringen mich dazu, dass ich meine Fesseln ablege. Was, du bist keine gute Tänzerin? Zeig’ einfach, dass du das Gefühl des Dancefloors vor Publikum auf die Bühne bringen kannst, sagen sie. Le Freak hat mir geholfen zu verstehen, was sie meinen.“ Da sich unser geschätzter Landsmann Roosevelt vor Kurzem mit Nile Rodgers von Chic zusammengetan hat, liegt die Frage auf der Hand, ob bei ihnen Ähnliches in der Mache sei. „Nichts auf der Welt wäre uns lieber als eine Kollaboration mit ihm“, sagt Sabrina. „Aber wir sind wie alle Menschen. Wir können nicht so gut mit Ablehnung umgehen. Deshalb fragen wir ihn nicht. Wir warten auf eine Regung von ihm. Und sind da ganz geduldig.“ Lange müssen sie bestimmt nicht ausharren. Say She She befreien Disco aus der Feier-Einbahnstraße und geben dem Genre Sinn und Tiefe. Der Schwung bleibt erhalten, selbst wenn es mal psychedelisch klingt und ein Stück weit an Linda Perhacs erinnert. Dem Charme des Ganzen wird sich ein Nile Rodgers unmöglich entziehen können. Keine Chance. Wir können es jetzt schon nicht.

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