Bedroomdisco Alben Top 50 – 2023!

40-31

40. Will Butler + Sister Squares – Will Butler + Sister Squares

“Nach Generations von 2020 habe ich überlegt, eine seltsame Solo-Platte zu machen”, erzählt Will Butler. “Ich allein im Keller und so weiter. Meistens wurde mir klar, dass ich genau das Gegenteil wollte.” Also wandte er sich zunehmend an die Band, “um Feedback zu Texten und Songstrukturen zu erhalten”, wie sein Label Merge berichtet. Und er fragte schließlich Miles Francis, ob er die Platte produzieren wolle. Der Schlagzeuger resümmiert: “Will und ich entdeckten unsere Beziehung als Produktionsduo organisch (…). Wir mussten nicht allzu viel über die Dinge reden, denn die Musik floss einfach.” Ein gänzlich homogenes Werk ist der Erstling von Will Butler + Sister Squares dennoch nicht geworden – es gibt so manche Stil-Eskapaden und auch einige lose Enden im Verlauf der 45 Album-Minuten. “Aber, ehrlich gesagt, hatte ich ein gutes Gefühl bei der Platte”, sagt Will Butler im Rückblick. Und damit hat er Recht – diese 14 Tracks zeigen eindrucksvoll, dass es für ihn ein Leben nach Arcade Fire gibt (zumal er eine reizvolle sängerische Nähe zu seinem Bruder Win, zu David Bowie und David Byrne vorzuweisen hat).

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39. Yussef Dayes – Black Classical Music

Die quirlige britische Jazz-Szene ist seit Jahren ein Schmelztiegel aus unterschiedlichsten Einflüssen, Musiker ohne stilistische Scheuklappen wie der virtuose Drummer Yussef Dayes verblüffen mit jedem neuen Album aufs Neue. Da darf man sein neuestes Werk auch getrost ganz selbstbewusst Black Classical Music nennen, was ja auf den Jazz an sich hinausläuft. Wie lässig der gerade mal 30-Jährige hier – nach zwei herausragenden Platten im Projekt Yussef Kamaal und mit dem Gitarristen Tom Misch – ein meisterhaftes Solo-Debüt zwischen Jazz, Hip-Hop, Afrobeat und Soul heraushaut, erstaunt aber dann doch. Schöner kann man die vibrierende Musik-Metropole London nicht feiern.

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38. Sampha – Lahai

Wenn aufwändigst und detailverliebt produzierte Musik in Zeiten des Bedroom Pop etwas für Nerds ist, dann ist Sampha für Nerds. Dass der britische Sänger aber ganz gegen diese Erwartung in der Breite britischen Musikszene genauso gefeiert wird wie von amerikanischen Hip-Hop-Größen, liegt an den Emotionen und der Leidenschaft, die all das Handwerk ergänzen. Denn mit seinem zweiten Album LAHAI schreibt Sampha die Geschichte seines eigenen emotionalen Wachstums weiter. Statt eines Einblicks in seinen zutiefst aufwühlenden und von Trauer und Trauma geprägten Process, handelt der Nachfolger, auf den Fans sechs Jahre warten mussten, von der Liebe zum Leben. An zentraler Stelle auf Suspended singt der Musiker nicht umsonst: „I’ve been lifted by her love, I felt lifted from above”

Dafür brauchte es Zeit, und die nahm sich Sampha. Er lebt Zurückhaltung als Kunst, auf eine dreifache Weise: die Zurückhaltung der Emotionen im Moment, bis sie verarbeitet, kanalisiert werden können, die lange vorherrschende Zurückhaltung seines Egos und der eigenen Projekte gegenüber Kollaborationen, und Zurückhaltung als Charaktereigenschaft, die Raum für Introspektion gibt.

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37. Olivia Rodrigo – Guts

Wer gerade voll im pubertären Heartbreak steckt oder sich mal wieder in dieses Gefühlschaos hineinfallen lassen will, ist auf Guts genau richtig. get him back! und love is embarrassing versetzen einen zurück in die Zeit von ersten Beziehungen und Teenage-Drama, das im Falle von Olivia viel zu oft in den Tabloids dieser Welt ausgeschlachtet wurde. Kein Wunder also, dass die 20-Jährige auch auf GUTS, wie schon auf ihrem Erstlingswerk SOUR, ihre Seite der Story rund um Sabrina Carpenter und Joshua Bassett kundtut.

Musikalisch zieht sich der altbekannte y2k-Sound durch das Zweitwerk der US-Sängerin und jeder Song könnte eins zu eins so im Hintergrund von American Pie oder Girls Club laufen. Dabei macht die 20-Jährige keine großen Innovationssprünge, aber liefert einen stabilen Sound ab, der Mainstream-Erfolg garantiert. Das Gefühlschaos des Erwachsenwerdens verpackt in catchy Songs serviert, die im Ohr bleiben, dabei lyrisch aber leider (noch) nicht da hingehen, wo es wirklich wehtut.

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36. The Clockworks – Exit Strategy

Postpunk und irische Bands matcht einfach immer. Aller Postpunk-Wurzeln und -Verbundenheit zum Trotz scheuen sich The Clockworks aber mit Exit Strategy nicht munter auch ein wenig Britpop zu zitieren. Daneben bleibt auch Raum für Konsum- und Gesellschaftskritik.

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35. Jen Cloher – I am the River, the River is Me

Nach fünf Jahren erschien das fünfte Studioalbum von Jen Cloher (natürlich) unter dem Label Milk! Records und trägt den Namen I Am the River, The River Is Me. Es ist ein politisches Album auf dem Cloher zwischen Te Reo Māori und Englisch wechselt, während sie über indigene Souveränität, LGBTQI+ – Rechte, Umweltbewusstsein und zerstörerische Buschbrände singt. Unterstützung kriegt sie dabei von einem beeindruckenden Chor indigener Sänger*innen. Cloher ist durch ihre Mutter von Ngāpuhi und Ngāti Kahu Abstammung. Die heute am weitesten verbreitete und meistakzeptierte zusammenfassende Māori-Bezeichnung ist Aotearoa. I Am The River, The River Is Me fühlt sich wie eine Wiedergeburt Jen Clohers an. Es ist wunderbar und wichtig indigene Repräsentation von etablierten Künstler*innen unterstützt zu sehen. Cloher hat nicht nur ein großartiges Album, sondern ein Stück Weltgeschichte in 10 Tracks verpackt.

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34. bar italia – the twits

Was sich schon bei The National 2023 bewährt hat, können auch bar italia: zwei (großartige) Platten in einem Jahr. the twits untermauert ihren Ruf als Next-Big-Thing im Indiekosmos. Mitunter zu Lasten konventioneller Hörgewohnheiten bleibt es mit Sicherheit eines der spannendsten Indiereleases 2023.

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33. Lola Young – My Mind Wanders and Sometimes Leaves Completely

Lola Youngs mit Spannung erwartetes Debütalbum My Mind Wanders and Sometimes Leaves Completely ist endlich da und zeigt die unfassbare Schaffenskraft der jungen Londonerin. Die Platte ist eine musikalische Kombination von Soul, R&B und zeitgenössischem Pop und geht lyrisch genau da hin, wo es (als junge Frau) besonders weh tut. Lola nimmt uns mit in eine tiefgehende Exploration von Herzschmerz, Selbstzweifel und toxischen Beziehungen. Die Songs sind inspiriert von ihren persönlichen Erfahrungen und dementsprechend gleichzeitig verletzlich und emotional empowered. In ihrem Debütalbum My Mind Wanders and Sometimes Leaves Completely erkundet die Newcomerin damit neben tiefen Themenkomplexen eine bunte Mischung an Genres und verbindet sie doch mühelos zu einem stimmigen Ganzen, das unverkennbar nach Lola Young klingt und sicher nicht das letzte Album von ihr sein wird, das ihr Publikum tief berührt.

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32. Helena Deland – Goodnight Summerland

Songwriterin und Musikerin Helena Deland aus Montreal veröffentlichte am 13. Oktober ihr zweites Album Goodnight Summerland über Chivi Chivi und liefert damit den Soundtrack für alle, die Lust haben, einmal tief in eine ruhige Emotionalität abzugleiten. Der Kern des Albums besteht aus Trauer. Viele Songs handeln von der Ohnmacht, von der Unaussprechlichkeit eines Verlustes. Deland hat vor dem Schreiben ihre Mutter verloren und diese Erfahrung als Begegnung mit einem Mysterium beschrieben. Sie interessiert sich dafür, wie Lieder eben genau das festhalten können, was sich der Alltagssprache entzieht. Sie sagt, dass ihre Musik aus dem Lesen und Herumlaufen schöpft. Diese Vermischung aus Bewegung, Ruhe und Gedankenverlorenheit ist auch das Gefühl, das nach dem letzten Takt von Goodnight Summerland bleibt. Davor gab es 11 Tracks und gut 38 Minuten Soft Folk mit einer Prise Indie.

Goodnight Summerland ist eine Platte, die direkt ins Herz schaut. Delands fantastisches Songwriting erzählt von Verlust und seinen Facetten, ohne ein Loch zu schaufeln und ohne den Blick auf andere zu verlieren. Die Kombination aus Unaussprechlichkeit und klaren Worten eingebettet in musikalische Finesse macht dieses Album zu etwas ganz Besonderen.

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31. The Lemon Twigs – Everything Harmony

Wer Lust auf sommerliche Retro-Nostalgie empfindet, der wird bei The Lemon Twigs fündig. Mit ihrem vierten Studioalbum Everything Harmony bringt das Duo, bestehend aus den beiden Brüdern Brian und Michael D’Addario, eklektische Einflüsse von The Monkees und Tom Petty bis hin zu Moondog zu einem harmonischen Ganzen zusammen – genau wie der Titel schon sagt. Nachdenklicher Singer-Songwriter-Pop mit introspektiven Lyrics und purer 70er-Ästhetik trifft auf barocke, ausgefeilte Melodien und eine Atmosphäre, in der sich Schwermut und Glückseligkeit zu einer sonnigen Melange vermischen.

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Dominik

Bedroomdisco-Gründer, Redaktions-Chef, Hans in allen Gassen, Golden Leaves Festival Booker, Sammler, Fanboy, Exil-Darmstädter Wahl-Hamburger & happy kid, stuck with the heart of a sad punk - spreading love for great music since '08!

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