PRISCILLA – Filmkritik


Foto-© MUBI

Please don’t ruin my life.

(Priscilla Presley – Priscilla)

Elvis Presley. Der Rock’n’Roll-Messias. Der popkulturelle Urknall. “We will never again agree on anything as we agreed on Elvis”, schrieb der legendäre Musikjournalist Lester Bangs in seinem Nachruf auf Presley. Der King halt, mit Graceland als seinen paradiesischen Palast und Priscilla als ihm zur Seite stehende Königin.

Eben diese ‘Königin’ ist es aber auch, die in diesem, nach ihr benannten Film meint: “He’s not like you imagined”. Ist an der dazugehörigen Stelle zwar anders, eigentlich eher positiv gemeint, lässt sich beim Rauszoomen und mit Blick auf die Gesamtheit des Films aber auch anders lesen. Zwischen den Zeilen wird hier bereits gesagt: Elvis ist keineswegs perfekt, sondern etwas dumm, ziemlich widerwärtig und – für Leute unter 30 ist das fast genauso schlimm – cringe.

Damit wird Elvis in diesem Film nicht nur vermenschlicht, sondern demystifiziert. Geradezu animalisch wirkt er hier, verwandelt eine verspielte Kissenschlacht zu einem brutalen Schlag ins Gesicht und verlangt während ihrer Schwangerschaft eine Beziehungsauszeit mit Priscilla, worauf diese nur noch wie betäubt reagieren kann. Was ihn interessiert, muss sie auch interessieren. Er lehnt die Beatles ab, weil sie keine Amerikaner sind (da hört der Spaß auf!), und sagt Dinge wie “Promise me that you stay the way you are now” (daran ist so viel verkehrt) oder “You have everything a woman can want” (die Betonung liegt hier natürlich auf “a woman“).

Dass Elvis ein gigantischer “mama’s boy” war, ist altbekannt; sein pompöses Anwesen Graceland war als ein Geschenk für seine Mutter gedacht. Nach ihrem frühen Tod versuchte Presley seine Mama irgendwie zu ersetzen und wollte dementsprechend eine Frau, die sich nicht beschwert. Dafür hat Elvis hier und da mal nachgeholfen: Schon bei einem ihrer ersten Dates gibt er Priscilla eine Pille, die sie für mehrere Tage ausgeknockt hat. Irgendwann streckt die zehn Jahre jüngere Priscilla selbst die Hand nach den Pillen aus. Er zögert. Aber nur ganz kurz.

Dass der Film an keiner Stelle von Elvis-Songs unterlegt wird und man ihn auch nur einmal wirklich singen sieht, passt dementsprechend sehr gut. Denn: Was ist Elvis ohne seine Musik? Die Antwort: Ein Blödmann, wenn man diesem Film glauben möchte (ich tu’s). Auf der Bühne war Elvis Presley der geborene Performer, doch im wirklichen Leben funktionieren solche Performance-Künste eben nur bedingt.

Aber: Der Film heißt ja Priscilla. Und bevor wir Elvis zum ersten Mal sehen, sehen wir, wie sie ihn zum ersten Mal sieht. “Of course, who doesn’t”, antwortet sie auf die Frage, ob sie Elvis Presley mag, und fasst damit eine der Thematiken des Films zusammen: Priscilla wurde von Elvis in den Bann gezogen, so wie – übertrieben gesagt – die gesamte westliche Welt damals. Für uns als Zuschauer ist es eine überaus interessante Dynamik, die hier dargestellt wird: Ursprünglich war sie Fan, nicht Freundin, und sieht ihren Boyfriend zwischendurch nur in den Medien, gemeinsam mit all den anderen Fans. Priscillas Gefühl von Überlegenheit (ICH HAB ELVIS GEKÜSST!!!) wird hier wunderbar kontrastiert mit ihrer Angst, lediglich eine von Millionen zu sein.

Die weitere Hauptthematik von Priscilla ist eine, die schon in vielen Filmen von Sofia Coppola eine große Rolle gespielt hat: Isolation. Relativ schnell ist Priscilla ganz alleine in Graceland und wir als Zuschauer wissen, dass dies nun erstmal der Normalzustand bleiben wird. Auf dem Teppichboden sind seine Initialen eingestickt, sie ist dort also gewissermaßen nur zu Gast. Priscilla darf niemanden einladen, darf nicht mit ihrem Hund auf dem Rasen spielen, darf nichtmal arbeiten gehen. Sie soll nur warten auf ihn – wahrscheinlich auch nur, damit er weiß, dass da jemand auf ihn wartet (Ihr häufigster Satz zu ihm: “Miss you”. Seine häufigste Reaktion: Nix.). Letztendlich geht’s hier also um Macht, auch im Bett: Dass natürlich auch Frauen Lust haben können auf Sex, das scheint Elvis noch nicht ganz begriffen zu haben.

Zum Schluss noch: Besonders toll umgesetzt ist in diesem Film das Voranschreiten der Zeit. Die Wechsel zu den 1960ern und später zu den 1970ern fängt Sofia Coppola hier wundervoll ein. Alles sieht hier ganz ganz toll aus. Nicht nur deshalb: Super Film.

Priscilla (USA/ITA 2023)
Regie: Sofia Coppola
Darsteller: Cailee Spaney, Jacob Elordi, Dagmara Dominczky, Ari Cohen, Tim Post, Lynne Griffin, Dań Beime
Kinostart: 4. Januar 2024, MUBI

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Lennart Brauwers

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