FAYE WEBSTER – Underdressed At The Symphony


Foto-© Michael Tyrone Delaney

I want to sleep in your arms but not kiss
I long for your touch but don’t miss
Don’t want to regret any of this
Yeah, yeah
Yeah, yeah
Yeah, yeah

I want to see you in my dreams but then forget
We’re meant to be but not yet
You’re all that I have but can’t get
Yeah, yeah
Yeah, yeah
Yeah, yeah

I hope you’re okay but I won’t ask
If you’re in a good place I won’t mess with that
But I’m here when you need I always have
Yeah, yeah
Yeah, yeah
Yeah, yeah

(Faye Webster – But Not Kiss)

Bei aller reizvollen Rätselhaftigkeit, die diese Künstlerin noch immer umgibt: Faye Webster hat einen leicht schrägen Humor, so viel steht schon mal fest. Ihr viertes Album seit dem Debüt von 2013 nannte sie I Know I’m Funny Haha (2021) – ihre Selbsteinschätzung: “Selbst wenn ich es sage, will ich nicht wirklich witzig sein.” War aber dann – neben vielen anderen Qualitäten – doch witzig, die Scheibe. Websters neueste Platte heißt nun Underdressed At The Symphony und spielt im Titelsong mit dem peinlichen Gefühl, unter lauter schick gekleideten Leuten quasi in Alltagslumpen rumzustehen.

“In die Symphonie zu gehen, war für mich fast wie eine Therapie”, erklärt die 26-jährige Singer-Songwriterin aus Atlanta/Georgia den Albumtitel. “Ich war in der Symphonie buchstäblich underdressed, weil ich mich erst im letzten Moment entschied, dass ich das tun wollte. Ich hatte das Gefühl, eine beschissene Zeit in meinem Leben hinter mir zu lassen und für eine Minute in einer anderen Welt zu sein. Ich mochte es, dass ich nicht das Gefühl hatte, dazuzugehören.”

Schon das mächtig abgefeierte Vorgängeralbum umgab die nicht ganz unkomplizierte Seelenlage der Musikerin mit einem Stilmix aus Indie- und Folkpop, der gleichzeitig “old fashioned” nach 70s-Westcoast-Countryrock (die überaus präsente Pedal-Steel-Gitarre!) und aufregend modern (der unerschrockene Crossover-Produktionsansatz!) klang. Darüber schwebte Websters mädchenhafte, fast schon allzu zuckersüße Stimme, die Naivität vortäuschen konnte – dabei war ihr Songwriting schon seit längerem mit allen Wassern gewaschen.

Auf diesem Top-Niveau bewegt sich Faye nun auch mit ihrem fünften Album Underdressed At The Symphony wieder ganz lässig. Der Opener Thinking About You lässt sich sechseinhalb Minuten Zeit, um das entspannte Nachdenken über ein “You” in Szene zu setzen – und hätte auch noch ein paar Minuten weitergehen könnte, ohne dass man sich mit diesem an Carole King oder Aimee Mann erinnernden, fantastisch produzierten Folkrock-Track gelangweilt hätte.

But Not Kiss beschreibt anschließend das Gefühl, menschliche Wärme und Nähe ohne die allerletzte Intimität zu genießen. “I want to sleep in your arms but not kiss / I long for your touch but don’t miss / Don’t want to regret any of this…”, singt Faye Webster, während Nicholas Rosens Klavier, Bryan Howards fetter Bass und Matt Stoessels Pedal Steel das bekräftigende “Yeah, yeah” untermauern. Ein wunderbarer Song, mit dem das Album schon vor einigen Wochen perfekt angeteasert wurde.

Wanna Quit All The Time verbindet warmen Gitarren-Folk mit einem schleichenden Latin-Jazz-Rhythmus, ehe Lego Ring als der (zumindest für mich) einzige schwächere Song des Albums auf der Tracklist steht. Der grungige Gitarren-Sound steht Webster weniger gut, die mit viel Autotune gepimpte Stimme ihres Jugendfreundes Lil Yachty wabert ein bisschen nervig vor sich hin. Kein Total-Flop, lediglich ein kleiner Ausreißer nach unten – zumal es dann wieder so toll weitergeht wie in den ersten drei Stücken, mit einem kurzen Folk-meets-Autotune-Track (Feeling Good Today) und einer herrlich opulenten Ballade mit Streichern, Bläsern und jazzigen Besen-Drums (Lifetime).

He Loves Me Yeah! bietet anschließend wieder treibenden, knackigen Alternative-Rock in kompakten drei Minuten, das augenzwinkernd betitelte ebay Purchase History plätschert vermeintlich nur dahin, erfreut aber beim Dahinplätschern mit vielen hübschen Sound-Details. Das Titelstück lässt neben Fayes sehnsüchtigen Vocals erneut die Steel-Gitarre und ein paar Streicher seufzen – und am Ende das Klavier tatsächlich wie in einem Klassikkonzert brillieren. Der Closer Tttttime, ein musikalisch ultraharmonischer Song mit ungewöhnlichem Stotter-Refrain, gönnt uns für zweieinhalb Minuten nochmal das große Pop-Kino.

Insgesamt ist Faye Webster mit Underdressed At The Symphony erneut ein verspieltes, charmantes Album geglückt, das sie als eine der talentiertesten und eigentümlichsten US-Singer-Songwriterinnen zwischen Folkrock-Tradition und Indiepop-Moderne bestätigt. Herausragend.

Faye Webster – Underdressed At The Symphony
VÖ: 01.03.2024, Secretly Canadian
www.fayewebster.com
www.facebook.com/websterfaye

Faye Webster Tour:
24.05.24 Hamburg, Mojo Club
25.05.24 Berlin, Metropol
27.05.24 München, Technikum
28.05.24 Köln, Gloria

YouTube video

Werner Herpell

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