BLEACHERS – Bleachers


Foto-© Alex Lockett

And now we’re patiently awaiting
For some light to come in
To shake the living hell
Out of what we became
We’re frightened of the old
And we’re tired of the young
Guess the one-trick ponies
Got us singin’ along “hey joe!”

(Bleachers – Hey Joe)

Das Lob für Jack Antonoff und seine Arbeit als Produzent und Songschreiber von den größten Pop-Stars unserer Zeit (u.a. Taylor Swift, Lana Del Rey) reißt seit Jahren nicht ab. So auch nicht für seine Alben mit seinem Bandprojekt Bleachers, mit dem er nun sein Viertwerk veröffentlicht mit dem Titel: Bleachers. Das vierte Studioalbum als Selbstbetiteltes zu veröffentlichen, klingt doch schon nach einem Meilenstein oder aber zumindest nach einem Selbstbekenntnis.

Nachdem die letzten Alben von Antonoffs Perspektive auf den Tod seiner jüngeren Schwester geprägt waren, soll das erstmals bei Dirty Hit erscheinende selbstbetitelte Album nun das Leben feiern und die Perspektive in Richtung hoffnungsvolle Zukunft öffnen. Große Aufgabe für eine krisenbehaftete Welt in 2024. Dass Antonoff in der Zwischenzeit seine Frau kennengelernt und geheiratet hatte und ein Hoch mit seiner Band erlebte, trug aber um so mehr zu diesen Aufbruchsgedanken bei.

Große Veränderungen zu den Vorgängeralben sind insgesamt dann aber gar nicht wirklich hörbar. Der Sound ist und bleibt das, was Antonoff und seine fünfköpfige Band so sehr auszeichnet. Die beste vorstellbare Verbindung von bittersüßer Melancholie und dem berauschenden Gefühl von grenzenloser Freiheit manifestieren sich in jedem Song, in jeder Melodie, in jedem Saxophon Einsatz und in jedem Beat. Vielleicht ist trotzdem etwas weniger Schwermut versteckt und mehr Leichtigkeit und Witz sprüht aus den Zeilen und Melodien.

Zu beschreiben, was den Bleachers Sound so einmalig macht, gelingt kaum. Das Geheimnis liegt wohl vor allem in der Band selbst, die auch auf den letzten Taylor Swift, Lana Del Rey und St. Vincent Alben zu hören ist. Bei einzelnen Stücken auf Bleachers mit dabei übrigens: Aaron Dessner, Lana Del Rey und Florence Welch. Ganz anders klingend, aber vom Grad an Signature Sound und von der gefühlten Verschmelzung zu einem funktionierenden Ganzen stehen sie spätestens mit diesem Album in einer Reihe mit Bon Iver oder The National. Eine Besonderheit ist, dass die sechsköpfige Gruppe um Frontmann Antonoff trotzdem nie perfekt klingt und auch nicht danach zu streben scheint. Manchmal vergisst man, dass es sich eigentlich um Studioaufnahmen handelt, wenn immer wieder das Gefühl entsteht, dass die Band grade aus dem nichts live diesen Song performt mit sympathischen und am Ende wahrscheinlich dann doch wohl klug produzierten Ecken und Kanten. Die Band wird grade dadurch nahbar, wirkt ein bisschen wie die freundliche Band aus der Nachbarschaft. Dazu tragen auch häufig die episch, euphorischen Melodien a la Bruce Springsteen bei, mit einer Instrumentierung im Geiste von David Bowie. Mit dieser Kombination an Lebendigkeit und Freude und Texten, die immer eine gewisse jugendliche Naivität mit großen Emotionen paart, schafft es die Platte auch jeden noch so eingerosteten Musikfan ein Gefühl von ewiger Jugend zu vermitteln.

Trotz der Eingängigkeit und teilweisen Simplizität der Songs (z.B. Woke up Today oder Hey Joe) passiert musikalisch immer etwas, was man zuvor noch nicht gehört hat: neue Sounds, überraschende Dynamiken, versteckte Soli und das ständige Gefühl von schwelender Improvisation und Spontanität. Alles schreit danach mitzumachen, mitzusingen, mindestens zu tanzen. Allen voran Stücke wie Modern Girl, Tiny Moves oder Call Me After Midnight (drei mal Hitpotential) kreieren diese Bleachers Energie, die man an jedem noch so wenig anstrengenden Tag gebrauchen kann, um fröhlich durch den Tag zu kommen. Aber ebenso geben die ruhigen Stücke wieder den Soundtrack zum Schwelgen, Durchatmen und Grübeln. Wenn die BBC sagt, dass Antonoff die Popmusik neu definiert hat, dann ist dieses Album ein Beweis dafür, dass er das am besten mit seiner Band macht. Und nicht weniger ist dieses Album ein Beweis für die Kraft der Musik. Wenn man bedenkt, was Antonoff indirekt für einen Einfluss auf die USA hat, wenn er Musik mit und für die größten amerikanischen Künstlerinnen dieser Zeit macht, ist dieses Album vielleicht auch ein Zeugnis für und ein Aufruf an eine amerikanische Gesellschaft den Hass und die Spaltung abzulegen, und eine bessere und hoffnungsvollere Version ihrer selbst zu schaffen.

Bleachers – Bleachers
VÖ: 8. März 2024, Dirty Hit
www.bleachersmusic.com
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YouTube video

Christian Weining

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