THE HOLDOVERS – Filmkritik


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I don’t think I’ve ever had a family Christmas like this before.

(Angus Tully – The Holdovers)

Jeden Winter bleiben ein paar unglückliche an Weihnachten in der Barton Academy in New England der 70er Jahre zurück. Diese Gruppe ist bekannt als The Holdovers. Dieses Jahr unter anderem der bei Lehrern wie Schülern unbeliebte Lehrer Paul Hunham (Paul Giamatti), die Köchin Mary Lamb (Da’Vine Joy Randolph) und der aufbrausende Schüler Angus Tully (Dominic Sessa).

Über die Weihnachtszeit tauen die Außenseiter nach und nach ein ganz klein wenig auf und entdecken, wenn auch nicht direkt Gemeinsamkeiten, zumindest Ähnlichkeiten und beginnen einander und sich selbst ein wenig besser zu verstehen. The Holdovers ist einer dieser ganz besonderen Filme, der nicht nur die Schönheit und den Humor im Absurden findet, denn viel schrulliger als Paul Giamattis Lehrer Paul Hunham kann ein solcher eigentlich nicht sein, sondern dabei gleichzeitig realistische Charaktere und vor allem realistische Charakterentwicklung aufzeigt. Nach den über zwei Stunden Spielzeit ist niemand großartig über sich hinausgewachsen oder hat seine Einstellung radikal verändert, aber es ist auch niemand genauso wie zuvor. Diese feinfühlige, graduelle Entwicklung, nicht nur von einem, sondern von gleich drei zentralen Figuren, ist wahrlich bemerkenswert. Die Besetzung überzeugt dabei auf unterschiedlichste Art auf allen Ebenen. Da’Vine Joy Randolph hat völlig zurecht den Oscar gewonnen, an dem Paul Giamatti leider knapp vorbeigeschlittert ist. Aber auch Debütant Dominic Sessa spielt sehr vielschichtig zwischen überheblich und verletzlich; und sogar die Kinderdarsteller Jim Kaplan und Ian Dolley, die nur kurz auftauchen werden sich sofort in euer Herz spielen.

Somit entfaltet sich ein ruhiges und authentisches Wohlfühlweihnachtswunderspektakel. Komplett an echten Drehorten mit echtem Schnee gedreht. Das Einzige, was unecht ist, ist der unglaubliche authentische 70er Jahre Retrocharme, von den Farben über die Kamera bis hin zu dem herrlich designten Intro und Abspann. Schaut einfach den ebenfalls perfekt durchgestylten Trailer, um ein Gefühl dafür zu bekommen. Da ist das Eintauchen in die Epoche so unaufdringlich, dass zukünftige Zuschauer, die nicht auf das Entstehungsdatum achten, ihn schlicht als 70er Jahre Film erleben werden. Das perfekte gemütliche Kammerspiel, bis es dann keines mehr ist. Denn im letzten Akt wird die Geschichte dann doch noch ein wenig größer. Dadurch wird The Holdovers zwar kein Roadmovie, wie der Kultklassiker Sideways, dem letzten gemeinsamen Projekt von Regisseur Alexander Payne und Paul Giamatti, aber eben noch etwas abwechslungsreicher. Dieser kleine Roadtrip steht dann im Vergleich zur großen Entwicklung in Sideways sinnbildhaft für die behutsame Entwicklung der Figuren hier.

Als Weihnachtsfilm hat und hatte es The Holdovers dabei von Anfang an schwer, in Europa erst im Januar im Kino und nun während der Frühling anbricht im Heimkino. Aber davon sollte sich niemand abschrecken lassen und ohnehin, Alexander Payne wollte sowieso nie einen Weihnachtsfilm drehen, freut sich aber nach eigener Aussage, falls es einer wird. Durch sein Design ist der Film ohnehin zeitlos, die Qualität steht diesem Siegel ebenfalls in Nichts nach. Also holt euch diesen Film unabhängig vom Wetter schnellstens nach Hause und entdeckt dabei vielleicht einen neuen jährlich wiederkehrenden Weihnachtsfilm oder einfach „nur“ eine sehr herzliche Feier der Menschlichkeit. Keine Sorge, sehr gut und sehr lustig werdet ihr dabei auf jeden Fall unterhalten.

The Holdovers (USA 2023)
Regie: Alexander Payne
Besetzung: Paul Giamatti, Da’Vine Joy Randolph, Dominic Sessa, Carrie Preston
Heimkino VÖ: 11. April 2024, Universal Pictures Germany

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Malte Triesch

Malte wuchs im idyllischen Lilienthal, direkt an der Grenze zu Bremen, der schönsten Stadt im Norden Deutschlands, auf. Seine frühesten Film-Erinnerungen ist, auf dem Schulhof in der neusten TV Movie alles anzustreichen was gesehen und aufgenommen werden muss. Da die Auswahl an Horrorfilmen hier doch recht be- oder zumindest stark geschnitten war entdeckte er Videotheken für sich bzw. seine Mutter, da man diese ja erst ab 18 betreten durfte. Wenn er nicht gerade Filmreviews schreibt ist er wahrscheinlich im (Heim-)Kino oder vor dem Mikrophon für den OV Sneak Podcasts, SneakyMonday.

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