COLD FISH – Filmkritik

Wir stecken da gemeinsam drin.

(Murata – Cold Fish)

Im mittlerweile elften Jahr schlägt die Nippon Connection ihre Zelte auf dem Campus in Bockenheim auf und hat auch in diesem Jahr einige Perlen des des japanischen Kinos im Gepäck. Dass sich das Festival aber auch als Botschafter nicht nur des japanischen Films, sondern auch der Kultur versteht, verrät schon der Weg in den Kinosaal des Festivalzentrum im Studierendenhaus, das zwar schon ein wenig in die Jahre gekommen ist, aber für die Nippon Connection sehr detailverliebt heraus geputzt wird. Im ganzen Gebäude duftet es köstlich nach authentisch japanischen Snacks, zahlreiche Workshops werden angeboten zu verschiedenen japanischen Traditionen und zwischen den Filmen kann man sich die Zeit in der „Spielhölle“ vertreiben. Trotz des Facettenreichen Rahmenprogramms stehen natürlich die Filme im Zentrum des Festivals.

Ein Film, der mit Spannung erwartet wurde, ist ‘Cold Fish‘, Sion Sonos (Love Exposure) neuester Streifen, der die Ereignisse um einen realen Serienmörder zum Anlass nimmt, um über menschliche Abgründe, Abhängigkeit und Gewalt nachzudenken. Im Zentrum des Geschehens steht dabei die Familien des Zierfischhändlers und Romantiker Shamoto (Mitsuru Fukikoshi), dessen junge, zweite Frau Taeko (Megumi Kagurazaka) einen gärenden Konflikt mit seiner rebellierenden Tochter austrägt, unter dem die gesamte Familie leidet. Besonders Shamoto fühlt sich verantwortlich für die emotionale und finanzielle Misere.
Als die Tochter eines Abends zum wiederholten Mal beim Klauen im Supermarkt erwischt wird, kann der fremde, offensichtlich sehr wohlhabende und freundliche Murata (der japan. Komiker Denden) durch seinen Einfluss die peinliche Situation bereinigen. Überhaupt scheint der hilfsbereite Spaßvogel die Lösung aller Probleme Shamotos zu sein, da Murata ebenfalls, allerdings ungleich erfolgreicher, im Zierfischgeschäft ist. So dauert es nicht lang bis die beiden ins Geschäft kommen und sogar Shamotos Tochter im großen Geschäft Muratas unter kommt, das dieser gemeinsam mit seiner Frau (Asuka Kurosawa) führt.

Dass alle Hilfsbereitschaft aber zu einem minutiösem Plan Muratas gehört, der sich als brutaler Machtfreak und Massenmörder entpuppt, geht Shamoto erst auf, als er Zeuge und Komplize einer von Muratas Taten wird.
Bereits erpressbar geworden gerät Shamoto immer tiefer in den Abgrund von Muratas unmenschlich brutalen Machenschaften um Sex und Gewalt. Die Morde allein sind dabei nicht das schlimmste, viel erschreckender ist das Ritual der Entsorgung der Überreste. Genüsslich zerlegen Murata und seine sexuell umtriebige Gefährtin in einer alten Kapelle im Wald die Leichen in kleine Würfel, verfüttern sie an die Fische und verstreuen die Asche der verbrannten Knochen im Wald.

Der Film ist dabei stets nah dran an Shamoto, der als wehrloser, passiver, zum Zuschauen verdammter Beobachter an den bizarren Ereignisse Teil hat. Durch ihn wird die Zuschauerrolle gewissermaßen verdoppelt, wodurch zugleich die medialen Bedingungen des Films reflektiert werden. Überhaupt gelingt hier eine überzeugende Einheit von Form und Inhalt, denn die Wiederholungstaten werden gespiegelt von dem immer wiederkehrenden Stück Gustav Mahlers (Symphonie Nr. 1 in D-Dur), das die beklemmende Atmosphäre unterstützt. Ironisch gebrochen wird das Szenario hin und wieder durch Humor, den Schnitt und hervorragende Kameraeinstellungen, sodass man als Betrachter die 144 Minuten gut ertragen kann, die nötig sind, ihm zu zeigen, was aus einem normalen Menschen werden kann, wenn er traumatischen Bildern ausgesetzt wird und welche Abgründe wir alle in uns tragen. Ein Film der ein ungutes Gefühl in der Magengegend zurück lässt.

Cold Fish / Tsumetai nettaigyo (J 2010)
Regie: Sion Sono
Darsteller: Mitsuru Kukikoshi, Denden, Asuka Kurosawa, Megumi Kagurazaka, Hikari Kajiwara
Deutschlandpremiere auf der Nippon Connection 28. April 2011

httpvh://www.youtube.com/watch?v=PxwImfxDTnM