ATTACK THE BLOCK – Filmkritik

Even if it is an alien invasion, they’re four foot high, blind and got kicked to death by a bunch of kids. We got nothing to worry about.

(Ron – Attack The Block)

Falsches Stadtviertel: Im Science-Fiction-Thriller ‘Attack the Block‘ legen sich Außerirdische mit einer Jugendbande im miesen Südlondon an. Was sich nach Slapstick anhört, ist ein spannender Film über Jugendkriminalität, soziale Probleme und die Berauschung an der Cliquendynamik.

London, der 5. November. Die britische Hauptstadt feiert die Guy Fawkes Night mit Feuerwerken in allen Vierteln. Auch im Süden, wo die grauen Blöcke aus Sozialwohnungen stehen, knallt es, einmal sogar richtig laut. Gerade wollten Moses (John Boyega) und seine Gang die Krankenschwester Sam (Jodie Whittacker) ausrauben, da schlägt etwas mit voller Wucht in ein nahe stehendes Auto ein. Ohne zu zögern, nähert sich Moses dem Wagen und wird von riesigen Krallen verletzt. Sofort verlagert sich die Gang vom Abziehen der Nachbarn auf die Jagd nach – ja was eigentlich? Einem Hund? Für eine genauere Analyse der Situation ist keine Zeit, es geht über einsame Spielplätze und dunkle Einfahrten durch die ganze Siedlung, bis Moses das Ding in die Ecke gedrängt und getötet hat. Womit der Weltuntergang seinen Lauf nimmt.

Regisseur Joe Cornish ist ansonsten eher für Comedy im TV und Radio bekannt, dreht Making-Ofs für seine Kumpels Nick Frost und Simon Pegg oder schreibt Drehbücher, wie für den Tim und Struppi-Film von Spielberg. ‘Attack The Block’ ist sein Debütfilm, eine simple Geschichte, die durch Umsetzung und Ensemble brilliert. Die Bewohner des Blocks müssen gegen die Ausserirdischen, die fantastisch designt sind, bestehen und es ist eine Freude der bunten Truppe aus Kleinkriminellen, Klugscheißern und Möchtegern-Helden zuzusehen, wie sie die die Schlacht ihres Lebens schlagen. Wenn es sein muss, mit Silvester-Raketen und Rollenspiel-Schwertern. Doch ‘Attack The Block’ ist mehr als der gewöhnliche Horror-Survival-Thriller. Die jugendlichen Übeltäter werden anfänglich wie die gewöhnlichen, bedrohlichen Juvies dargestellt, wie man sie aus den üblichen UK-Unterschichten-Dramen kennt. Doch im Laufe des Filmes schaffen sie es zu glaubwürdigen und sympathischen Figuren zu werden, ohne dass ihre kriminellen Handlungen entschuldigt oder glorifiziert werden. Billige Angstklischees oder gar schmutzige Selbstjustizphantasien werden hier gekonnt vermieden, stattdessen macht Cornish sich die Mühe und blickt hinter die äussere Hülle. Der Kunstgriff die Gang immer wieder mit ihrem Überfallsopfer zu konfrontieren, die keineswegs gewillt ist ihnen einfach so zu vergeben, macht die Läuterung Moses, der mit wenigen skizzenhaften Momenten glaubhaft als verlorenes Kind gezeichnet wird, am Ende besonders glaubhaft.

Natürlich ist es Zufall, dass der Film so kurz nach den Ausschreitungen in London startete, aber es fällt schwer nicht gewisse Parallelen ziehen: Zwischen den Kids aus dem Block und den frustrierten Plünderern aus den Nachrichten, die so wenig Vertrauen in ihr politisches System haben, dass sie nichtmal mehr protestieren. Materielle Teilhabe am Konsum und sei er auch gestohlen. Die Kids in ‘Attack the Block’ sind keine niedlichen Kinder, mit goldenem Herzen, bei denen ein Wort reicht um sie zum Guten zu bekehren. Sie sind ausgekocht, brutal, rotzig, notgeil, nicht gerade die Hellsten und im Kern doch Kids, die noch nicht verloren sind. Die Konfrontation mit den minimalistischen und, gerade deshalb, überaus effektiven Monstern – die nicht alle Mitglieder der Bande unbeschadet überstehen – macht sie dann doch zu Sympathieträgern, weil wir erleben dass sie eben doch menschlich handeln.

‘Attack the Block’ ist keine einfühlsame Sozialstudie, aber er ist das, was gute B-Filme ausmacht: Mehr als er auf den ersten Blick scheint. Cornish hat sich mit diesem Film und seiner trefflichen Mischung aus Horror, trockenem Witz, originellen Bildern und Action wärmstens für weitere Werke empfohlen. Er beweist zudem, dass gute und innovative Ideen (wie die eigentlich simplen Aliens mit ihren creepigen Leuchtzähnen) mehr wert sind, als hollywoodsche Effekthascherei oder Renderorgien.

Attack The Block (GB 2011)
Regie: Joe Cornish
Darsteller: John Boyega, Nick Frost, Jodie Whittaker, Luke Treadaway, Flaminia Cinque, Joey Ansah, Lee Nicholas Harris, Chris Wilson
DVD-VÖ: 24. Februar 2012, Capelight Pictures

Fred

Fred ist 32 Jahre, wohnt in der Pop-City Damstadt und mag Hunde, Pizza und Musik.

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