TOM ODELL – Long Way Down


Tear me down, tell me I don‘t need to fear
Tell me now, tell me somebody‘s near
Sirens, sirens are all I hear

(Tom Odell – Sirens)

Tom Odell zu mögen – den hübschen, auf Burberry Shows spielenden und BRIT Awards gewinnenden Südengländer, Songs in der Werbung, Songs unter dem Schirm von Columbia Records – ist wirklich einfach und wirklich schwierig zugleich. Da ist das klare Songwriting, Gesang und Piano, Wucht und Luft. Einfach. Und die Gefahr, dass die gefühlvollen, immer eine eindeutige Handschrift – nämlich die Odells –  tragenden Songs als schmachtender Singer-Songwriter Pop für weinende Mädchen abgetan wird. Schwierig. Tom Odell mit diesem Debutalbum als die Hülle zu minimieren, die ein junger, blonder Engländer mit BRIT Award oberflächlich hergibt, wäre eine wahre Schande.

Mit einer Stimme wie der Odells, die von der Bedeutung des Gesungenen zu durchlöchert werden scheint und so herzzerreißend zwischen Zerbrechlichkeit und kraftvoller Dringlichkeit schwankt, ist jeder Song es wert, mehr als nur eine Reduktion auf nichtssagenden Pop zu sein. Sie ist wie ein Stück Eis, das wieder und wieder – jedes Mal diese eine Sekunde zu lang – auf die Haut gepresst wird. Sie birgt eine solche Intensität in sich und trotzdem hört man den Wind förmlich durch ihre Risse und Löcher pfeifen.

Das Songwriting zwischen flatternden Elton John– und stampfenden Bruce Springsteen-Kompositionen ermöglicht es Odell, sich in energetische Höhen zu schrauben und in zerbrechliche Tiefen zu fallen. Bebt bei ‘Hold Me‘ noch alles ob der zielstrebigen, randalierenden Dynamik, zerstäubt es sich bei ‘Another Love‘ in tausende Partikel, die in den Augen brennen und in der Lunge stechen. ‘Sense‘ tänzelt leise und mit dem Charme von Armstrongs ‘What a Wonderful World’ um geschlossene Augen und lächelnde Lippen. ‘Can‘t Pretend‘ zeigt das volle Wunder, das in Odells Talent steckt: Vom nur spärlich vom Piano begleiteten “Love, I have wounds only you can mend, you can mend / I guess that‘s love, I can‘t pretend, I can‘t pretend“ steigert sich dieser Song ins Explosive, um immer wieder kurz zur anfänglichen Stille zurückzukehren. Kein Song auf diesem Album wird plattgewalzt, es ist immer Raum für Süßes und für Trauriges. Es ist Raum für viele kleine Momente, in denen ein Song wie eine mächtige, faszinierende Stadt wirkt, in der man alleine umherirrt, glücklich und verwirrt und verletzt und zuversichtlich.

Trotz der Tatsache, dass bei ‘Long Way Down‘ noch das ein oder andere Mal in die Effektschublade gegriffen wurde, um Odells Klavierspiel und Gesang anzureichern, wurde hier keineswegs inflationär mit schwülstigen Gospel- oder Kinderchören, ausladenden Streicherensembles oder bombastischen acht weiteren Pianos umgegangen. Vielmehr wurde von Produzentenseite da Odells Eindringlichkeit untermalt, wo es passt. Die dreizehn Songs des Albums verwischen nie das Markante an diesem Künstler; sie scheinen ihn immer als Sänger, Pianisten und Songwriter sein eigenes Herzensding machen zu lassen.

Tom Odell sprengt seine Hülle mit diesem Album – und die Fetzten hätten es verdient, nicht nur im Mainstream zu landen, sondern auch in jeglichen Nischen.

Tom Odell – Long Way Down
VÖ: 21. Juni 2013, Smi Col (Sony Music)
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http://vimeo.com/65191824