TOY – Songs Of Consumption


Foto-© Steve Gullick

When the evening light wants to be so bright
And the morning sound is out of sight
Can there be another word to say
Or do we have to give it all away?

(TOY – Sixty Four)

Was kann ein Coversong leisten? Während andere Genres ganz selbstverständlich aus einem Katalog an Standards schöpfen, gilt es in der Popmusik – trotz reger Inspiration bei den KollegInnen – als Ausnahme, ausdrücklich von der Regel der Eigenkomposition abzuweichen. Allzu oft heißt es dann, man habe den großen Vorbildern Tribut gezollt; ein Ausdruck der Verneigung, dessen hierarchischer Gehalt öde Rock-Machismen fortschreibt. Dabei scheint die Antwort doch viel einfacher zu sein: Ein guter Coversong als doppelte Hörfreude. Denn auf das erste Erstaunen, Vertrautes neu zu entdecken (Smells Like Teen Spirit auf dem Banjo?), folgt für passionierte Nischenfreunde das Entzücken, die Hörgewohnheiten der Neuinterpreten zu teilen.

Diese Freude mag auch die britischen TOY dazu bewogen haben, ihrem noch Anfang des Jahres erschienenen Studioalbum Happy In The Hollow eine Sammlung von Neuinterpretationen geliebter Songs hinterherzuschicken. Dazu gehören nicht nur wohlbekannte Klassiker, sondern auch die eine oder andere Obskurität, wie Nicos 1981 veröffentlichtes Sixty Forty. Ihren charakteristischen Sound, der seit ihrem vor sieben Jahren veröffentlichten Debüt irgendwo zwischen Psychedelic Rock und Shoegaze-Träumereien oszilliert, trägt das Quintett besonders auf Songs wie Cousin Jane (The Troggs, 1966) auf, dessen sanften Chören die gerade noch aufgestellten Nackenhaare nicht ganz vertrauen wollen. Früh zeigt sich der Ansatz der Band, das Material auf seine Grundzüge zu reduzieren und dann mittels Drummachine und Synthesizer neu zusammenzusetzen. Kühl und verführerisch transformieren sie so die Rotzigkeit der ewigen Stooges oder befreien das 1978 erschienene Follow Me der Boulevard-Ikone Amanda Lear von einigen Schichten Schmalz. Der Discohit verliert dabei keineswegs seinen ursprünglichen Charakter: dank glitzernder Synthesizerkaskaden und dem lasziven Gesang Tom Dougalls schmeckt auch die Neuinterpretation noch nach Zuckerguss.

Dieses Rezept geht jedoch nicht durchgehend auf. Nachdem TOY über Fun City die Hitparade der 1980er erklommen haben, hechelt ihre Interpretation der Pet Shop Boys in Always On My Mind dem Vorbild hinterher, ohne dass die dürre Drummachine seine Wucht einfangen könnte. Wer Pop-NostalgikerInnen ärgern wollte, könnte mit dieser rudimentären Version den Beweis erbringen, wie wenig Substanz schon hinter dem gefeierten Original steckte.

Ähnliches gilt auch für Lemon Incest: die hohen Wellen, mit denen der Skandal um den Song Serge Gainsbourg und dessen damals dreizehnjähriger Tochter Charlotte Geld in die Kasse spülte (“Lemon incest / Je t’aime t’aime, je t’aime plus que tout / Papapappa”), sind abgeflaut. Andererseits hätte der zum französischen Nationalbarden hochstilisierte Gainsbourg – dessen Eklektizismus ihn bisweilen zu erstaunlich zeitlosen Songs führte – das eine oder andere kritische Nachwort verdient. Das muss nicht die Aufgabe eines Popsongs und vielleicht noch weniger die seiner Coverversion sein. Doch auch ungeachtet des verblassten PR-Stunts haben TOY hier wenig zu sagen: anstatt auf den Grundkomponenten neu aufzubauen, wird hier bloß eine vergleichsweise dicke Produktion aufgefahren – Imitation von Frau Gainsbourgs Kinderstimme inklusive.

Ein Coveralbum muss sich nicht nur wohl oder übel an seinen Referenzen messen lassen, sondern auch an den Versuchen anderer KünstlerInnen, ihre Vorbilder neu zu interpretieren . Letztlich fällt Songs Of Consumption nicht im Vergleich mit den Originalen ab. Doch im Gegensatz zu den Werken von Cat Power, Patti Smith oder Rage Against The Machine schaffen es TOY mit ihrem Anlauf eben nicht, die freudige Überraschung zu bieten, wenn ein wohlbekannter Song plötzlich in neuem Gewand erscheint.

TOY – Songs Of Consumption
VÖ: 15. November 2019, Tough Love Records
www.thebandtoy.com
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