THE INNOCENCE MISSION – See You Tomorrow

In this house
we are mapping songs on the evening walls.
We put many trees,
we keep many leaves
on the sidewalks.
Some days we are not sure where we’re going,
how we will arrive.
Some days we don’t know where we have gone
but I’m always on your side

(The Innocence Mission – On Your Side)

Die Feststellung ist nicht mehr ganz neu, aber wer The Innocence Mission hört, muss feststellen, dass selten ein Bandname so sehr Programm war wie hier. Seit mittlerweile dreißig Jahren werkelt das Ehepaar Karen und Don Peris in Unschuld an ihren Songs. Ob dabei Dreampop der 90er herauskam oder der LoFi-Folk, dem sie sich seit den 00er Jahren verschrieben haben – stets stand das Duo aus Pennsylvania etwas abseits des Rampenlichts. Inzwischen hat sich immerhin auch Sufjan Stevens, allseits anerkannter Großmeister des Soften, Schönen, Guten, als Fan der beiden offenbart. Zwei Jahre nach Sun On The Square veröffentlichen The Innocence Mission nun, ergänzt um den Kontrabassisten Mike Bitts, ihr mittlerweile elftes Studioalbum.

See You Tomorrow macht schon mit dem Opener The Brothers Williams klar, dass sich aus dem langen Zusammenspiel der Band eine seltene Vollkommenheit ergeben hat. Das Stück setzt mit sparsamen Klavier-Akkorden ein, über der Karen Peris‘ klare Stimme hallt „Don’t pay attention to them, okay? / Tomorrow, today“ Ganz natürlich fügen sich nach und nach Drums, Streicher und Harmonium zu einem unangestrengten, nahbaren Auftakt ein. Der Sound entspricht ganz dem Aufnahme- und Produktionsort des Albums: das Wohnhaus des Ehepaars Peris, das dabei keinesfalls mangelnde Professionalität befürchten lässt. Im Gegenteil drängt sich kein Instrument allzu sehr in den Vordergrund; ergießen Streicher weder Soße noch sägt das Akkordeon durch die Songs, sondern folgt mit sanftem An- und Abschwellen einer Logik, die jeden Widerspruch versöhnlich beiseite lächelt: „In my dream / I would be in Paris with my mom. / In cafes she would sip coffee / she would be smiling on“. On Your Side legt da noch eine ganze Schippe LoFi-Patina drauf: Fingerpicking, dezente Percussion, Mellotron und darüber Peris‘ mantraartiger Gesang, der Verlässlichkeit und Geborgenheit zusichert: „She’d say, I never have let you out of my sight / I have not gone“.

Wer sich auf diese Stimmung einlässt, wird mit einer knapp vierzigminütigen Umarmung belohnt. Die große Harmonie zeichnet sich dabei gerade durch die vielen eingewebten Details aus: hier gluckert ein Klavierlauf (I Would Be There), dort lösen sich hohe Chor-Stimmen und der mächtige Bass des Harmoniums gegenseitig ab (John As Well). Karen Peris‘ Songwriting kreist immer wieder um Fragen nach familiärer Vertrautheit, ihren Veränderungen im Lauf der Zeit und dem Wunsch, diese Zeit zurückdrehen zu dürfen: „California windmills / Let the arms move the other way / Turn around the days” (Movie)

Trotz all diesen wohlbekannten Motiven erschöpfen sich die Texte weder in Plattitüden noch versuchen sie sich an einer Mystifizierung. Stattdessen schildern sie unaufgeregte Beobachtungen, wie Don Peris in Mary Margaret in Mid-Air, einer bedächtigen Gitarrenballade: „My friend Martin is leaving home / For a place where he’s unknown / Calls me on the phone and says / Will she love me when I’m gone?”

Gegen Ende nimmt das Album mit I Would Be There noch einmal Fahrt auf, bevor es die HörerInnen schließlich mit einem letzten, verhuschten Klavierschnipsel in die weite Welt entlässt. Dort steht man dann, liebevoll vertröstet und einigermaßen verdutzt darüber, wie The Innocence Mission nach all den Jahren noch sträflich ungehört geblieben sind. Vielleicht hat aber auch gerade das ihnen ermöglicht, ihr musikalisches Schaffen zu einem späten Höhepunkt wie See You Tomorrow zu führen.

The Innocence Mission – See You Tomorrow
VÖ 17. Januar 2020, Bella Union
www.theinnocencemission.com
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