ROLAND SCHIMMELPFENNIG – Die Linie Zwischen Tag Und Nacht

Roland Schimmelpfennig Kritik

Es wäre einfach den neuen Roland Schimmelpfennig Roman Die Linie zwischen Tag und Nacht als einen obskuren, einen düsteren Krimi-Trip durch Berlin abzutun. Eine Sinnsuche in der Hauptstadt, ausstaffiert mit ausgefallenen Orten und einzigartigen Persönlichkeiten, die es in ihrer Vielfalt nur in genau dieser Stadt geben kann. Eingefasst wird die Odyssey um den ehemaligen Bullen Tommy durch eine vernebelte, von Schmerz, Haltlosigkeit und Drogen eingefasste Sichtweise, die sich kaleidoskopartig immer weiter ineinander verschiebt. Doch die Linie zwischen Tag und Nacht ist in ihrer noiren Lässigkeit mehr als ein Krimi, sondern vielmehr eine Liebesbekundung an die Einwohner der pulsierenden Großstadt Berlin.

Der ehemalige Drogenfahnder Tommy leidet schwer unter einem Unfall, für den er sich im Polizeidienst verantwortlich zeichnet. Der Startschuss für eine Abwärtspirale: Die Beziehung zu seiner Kollegin Kathrin geht in die Brüche, er befindet sich in einer ausgewachsenen Sinnkrise und wird schließlich sogar suspendiert. Erleichterung und Rückhalt gibt ihm zu dieser Zeit nur die Freundschaft zu dem ungarischen Ping Pong-Liebhaber Csaba geben, ein Krimineller, den er während einer Razzia kennenlernte und zu dem er seitdem eine seltsame Vertrautheit pflegt. Davon abgesehen lässt sich Tommy relativ anteilnahmelos durch die Straßen und Parties Berlins treiben, bis er am 1. Mai die Leiche einer jungen Frau im Brautkleid aus dem Landwehrkanal zieht und sich auf die Suche nach ihrer Identität macht. 

Immer wieder trifft man während Tommys Suche auf vielversprechende und ausgefallene Persönlichkeiten, sei es die indische Feuerspuckerin, den japanischen Künstler, einen kranken, ehemaligen Polizisten, den Jazzliebhaber Gianni oder den komplexbehafteten Bodyguard Kowalski. Jeder von Ihnen besitzt mindestens ein markante und deskriptive Charaktereigenschaft, im Marketing würde man hier von einem Unique Selling Point sprechen, über die er sich definiert. Ein Kunstgriff mit dem Schimmelpfennig das Leiden in einer Metropole zwischen singulärer Anonymität und erzwungener Selbstbestimmung vor dem Leser ausbreitet. Ein Leben im ständigen Fluss tritt dem Wunsch nach Einzigartigkeit und Sinnhaftigkeit gegenüber.

Und überhaupt: Die Linie zwischen Tag und Nacht entfaltet eine tolle Sogwirkung, durch seine oftmals assoziative Erzählweise und Bildsprache legt Schimmelpfennig ein irres Tempo vor. Dabei kann man auch darüber hinweg sehen, dass die eigentliche Story nicht sonderlich innovativ daherkommt und die Auflösung ein wenig übers Knie gebrochen wirkt. Aber wie bereits zu Anfang gesagt, Die Linie zwischen Tag und Nacht ist nicht etwa ein Buch über einen Kriminalfall, sondern in erster Linie ein Buch über Menschen und das Menschsein an sich. Und hierbei macht es fast alles richtig. 

In Kooperation mit dem Verlag S. FISCHER verlosen wir 2 Exemplare von Die Linie zwischen Tag und Nacht von Roland Schimmelpfennig! Ihr wollt gewinnen? Dann schreibt uns bis zum 21. März eine Mail mit dem Betreff „Tag&Nacht“ und eurer Adresse an gewinnen@bedroomdisco.de und mit etwas Glück habt ihr schon bald Post von uns in eurem Briefkasten!

Roland Schimmelpfennig – Die Linie Zwischen Tag und Nacht
VÖ: 24.02.2021, 208 Seiten
Verlag: S. FISCHER
ISBN: 978-3-10-397410-2

Fred

Fred ist 32 Jahre, wohnt in der Pop-City Damstadt und mag Hunde, Pizza und Musik.

Mehr erfahren →