TIDES – Filmkritik


Foto-© 2021 Constantin Film Verleih GmbH/ BerghausWöbke/Gordon Timpen, SMPSP

For the many.

(Louise Blake – Tides)

In der nicht allzu fernen Zukunft strandet die Astronautin Blake (Nora Arnezeder) auf einer nicht wiederzuerkennenden, einem nicht enden wollenden nebligen Wattenmeer gleichen, Erde. Während die „zivilisierte“ Menschheit, von hier geflohen, im Weltraum aufgrund von Unfruchtbarkeit langsam ihrem Untergang entgegen geht, scheinen die Zurückgebliebenen auf der Erde, den lebensfeindlichen Umständen zum Trotz, eine neue Zivilisation aufgebaut zu haben. Blake steht somit vor der Frage ob beide Seiten vereint werden sollten, ob beide Seiten es wert sind gerettet zu werden und ob eine Co-Existenz überhaupt möglich wäre.

Für die Qualität des Sehgenusses völlig unerheblich, besonders da Tides in Englisch gedreht wurde, für die deutsche Filmbranche aber absolut relevant, muss zunächst gelobt werden, dass Regisseur Tim Fehlbaum es nach Hell (2011) erneut geschafft hat einen dystopischen Science-Fiction-Film im deutschsprachigen Raum zu produzieren. Dieser muss sich besonders vom Set-Design in keinster Weise vor großen internationalen Produktionen verstecken und beginnt unglaublich atmosphärisch, wenn Blake während des Absturzes auf die Erde in ihrer Raumkapsel erwacht. Es rüttelt, zischt und blitzt, während wir aus dem Off die Erzählstimme ihres Vaters (Sebastian Roché) hören, der uns in ruhigem Tom versichert „There is nothing to fear“. Doch es gibt einiges zu fürchten! Auf der Erde angekommen bleibt die Stimmung des Films so dicht wie der Nebel über dem nicht enden wollenden Schlick. Während sich langsam die Geschichte entfaltet und man mehr und mehr über die Bewohner der Erde und des Alls erfährt, verliert sich der Film jedoch zusehends. Dies mündet in einem chaotischen Finale bei dem als Zuschauer, unabhängig von den Sichtverhältnissen, nicht klar ist welche Seite eigentlich gerade wofür und gegen wen kämpft.

An den Protagonisten liegt dies nicht. Besonders die Hauptfiguren Blake und ihr Gegenspieler Gibson (gespielt von Game of Thrones Star Iain Glen) werden überzeugend und vielschichtig porträtiert. Nora Arnezeders Blake ist erfrischend stark und dennoch weiblich, ohne in Klischees zu verfallen. Zusammen mit der optisch wie inhaltlich fantastischen und neuartigen Welt hätte Tides so viel mehr sein können. Leider folgt auf die mitreißende Flut aus Bildern und Eindrücken eine erzählerische Ebbe, denn die Story an sich ist weder vielschichtig, noch neu. Wer es schafft seine Erwartungshaltung, nach dem mitreißenden Auftakt, dem Film entsprechend flach zu halten, wird jedoch definitiv seinen Spaß haben, denn Schauwerte und Raum zum Philosophieren wird zu genüge geboten. Hoffen wir das Regisseur Fehlbaum am Ball bleibt und mit seinem nächsten Werk den endgültigen Durchbruch schafft – denn auf die Ebbe, folgt ja bekanntlich die Flut.

Tides (DE/CH 2021)
Regie: Tim Fehlbaum
Besetzung: Nora Arnezeder, Sarah-Sofie Boussnina, Iain Glen, Sope Dirisu, Sebastian Roché, Hong Indira, Eden Gough
Kinostart: 26. August 2021, Constantin Film

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Malte Triesch

Malte wuchs im idyllischen Lilienthal, direkt an der Grenze zu Bremen, der schönsten Stadt im Norden Deutschlands, auf. Seine frühesten Film-Erinnerungen ist, auf dem Schulhof in der neusten TV Movie alles anzustreichen was gesehen und aufgenommen werden muss. Da die Auswahl an Horrorfilmen hier doch recht be- oder zumindest stark geschnitten war entdeckte er Videotheken für sich bzw. seine Mutter, da man diese ja erst ab 18 betreten durfte. Wenn er nicht gerade Filmreviews schreibt ist er wahrscheinlich im (Heim-)Kino oder vor dem Mikrophon für den OV Sneak Podcasts, SneakyMonday.

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