AMMONITE – Filmkritik


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That one is special.

(Mary Anning – Ammonite)

Inspiriert von der realen Archäologin Mary Anning, versetzt uns Ammonite in eine raue Küstenstadt im England der 1820er Jahre. Anning (Kate Winslet) lebt gemeinsam mit ihrer gesundheitlich angeschlagenen Mutter und hält sich mit dem Verkauf von selbst gesammelten Fossilien sowie selbsthergestellten Souvenirs aus Muscheln gerade so über Wasser. Widerwillig nimmt sie sich auf Wunsch und Rechnung eines Fans für einige Wochen dessen gesundheitlich angeschlagener Ehefrau Charlotte Murchison (Saoirse Ronan) an. Doch im Laufe der Wochen erweckt die junge Frau Gefühle in der in sich gekehrten Archäologin, die sie schon Jahre nicht mehr zu spüren gewagt hatte.

Ammonite wurde im Vorfeld viel mit dem fantastischen Porträt einer jungen Frau in Flammen verglichen. Und tatsächlich, von der Handlungsstruktur über die Botschaft bis hin zum historischen Setting sind die Parallelen frappierend. Dennoch fühlt sich Ammonite sehr anders an und setzt auch einen anderen Schwerpunkt. Beide Filme prangern offen den gesellschaftlich absolut inakzeptablen Missstand von Frauen an. Liegt bei dem französischen Film der Fokus darauf, dass sich eine Liebe entwickelt, welche in der Gesellschaft nicht stattfinden kann, fokussiert sich Ammonite darauf, wie schwer es ist, sich unter diesen Umständen näher zu kommen. Denn unabhängig von den gesellschaftlichen Zwängen oder vielmehr in Folge dieser, ist die verbitterte Mary niemand, dem man leichte nahekommt. So bedarf es vieler kleiner, ruhiger Szenen zwischen den beiden Frauen, in denen sie sich ganz langsam und fast ohne Worte annähern. Die Situationen sind dabei auch 200 Jahre später noch genauso aktuell. Wenn zum Beispiel nur eine der Damen zu einem Kammerspiel eingeladen wird und sich gespielt perplex versichern lässt, dass ihre Freundin doch sicher auch eingeladen ist oder wenn sich später bei eben jedem Anlass die heimliche Liebe nicht neben einen setzt und man innerlich völlig zerstört versucht irgendwie die Fassung zu wahren. All dies spielen Winslet und Ronan so leidenschaftlich und über jeden Zweifel erhaben, dass man nicht anders kann als mit den Damen mitzufiebern.

Dennoch bleibt am Ende das ganz große Feuerwerk aus, was aber gerade im Vergleich zu dem fulminanten Finale von Porträt einer jungen Frau in Flammen gewollt scheint. Das Leben und die Liebe der beiden sind eben etwas weniger dramatisch und gerade das Ende ist vor allem realistisch. Weder ein Schlag in die Magengrube, noch die perfekte Liebe, sondern eine realistische Wendung, die vieles offen lässt. Ein perfekter Herbstfilm, voll ruhiger Melancholie aber auch unterschwelliger Passion und der Hoffnung auf einen Neuanfang.

Ammonite (UK, US, AU 2021)
Regie: Francis Lee
Besetzung: Kate Winslet, Saoirse Ronan, Gemma Jones, James McArdle, Alec Secareanu
Kinostart: 4. November 2021, Tobis Film

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Malte Triesch

Malte wuchs im idyllischen Lilienthal, direkt an der Grenze zu Bremen, der schönsten Stadt im Norden Deutschlands, auf. Seine frühesten Film-Erinnerungen ist, auf dem Schulhof in der neusten TV Movie alles anzustreichen was gesehen und aufgenommen werden muss. Da die Auswahl an Horrorfilmen hier doch recht be- oder zumindest stark geschnitten war entdeckte er Videotheken für sich bzw. seine Mutter, da man diese ja erst ab 18 betreten durfte. Wenn er nicht gerade Filmreviews schreibt ist er wahrscheinlich im (Heim-)Kino oder vor dem Mikrophon für den OV Sneak Podcasts, SneakyMonday.

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