HURRAY FOR THE RIFF RAFF – Life On Earth


Foto-© Akasha Rabut / Warner Music

Spirit blinded by despair
But the lightning strikes to illuminate the night
Oh, I might not meet you there, through galaxies of song and prayer
I‘ll be lost in time and growing on a vine
Egyptian Spring and love in Beijing
Life on earth is long.

(Hurray For The Riff Raff – Life On Earth)

Das Klima, das Klima. Macht uns ganz schön zu schaffen im windigen Februar. Es ist aber alles nichts verglichen mit dem, was Alynda Segarra spürt. Sie sind in New York in einer puertorikanischen Familie aufgewachsen und leben seit geraumer Zeit in New Orleans, der Stadt, die 2006 der Hurrikan Katrina zerfetzt hat und in der man immer mit einer Katastrophe rechnen muss. Von daher ist es nur logisch, dass sich Segarra und Hurray For The Riff Raff mit dem Oberthema Umwelt auseinandersetzen. Es hätte schon vorher geschehen können, unabhängig vom medialen Tagesthema. In der Pandemie ergab sich die Gelegenheit, der Natur näher zu sein. Unter diesem Eindruck steht Life On Earth, das siebte Studioalbum der Band.

Einige kennen das Album My Dearest Darkest Neighbor von Hurray For The Riff Raff. Damals widmete sich Alynda spartanisch dem Folk und Blues und sang Lieder von Townes Van Zandt, Lead Belly oder Hank Williams. Jetzt ist es nicht das, was man Americana nennt. Jetzt klingt es in Wolves so, als hätte Kate Bush einen Rhythmustrack aus Hounds Of Love überlassen. Vollelektronisch, schwelgerisch und ganz wunderbar. An Pierced Arrows erinnert man sich schnell. Alynda schreibt Songs, die bleiben. Ihre Melodien erzeugen Wirkung, das weiß man seit dem Vorgänger The Navigator. Sie kopieren nicht traditionshörig wie früher, sondern vertrauen dem persönlichen Weg. „Don‘t turn your back on the mainland“, befehlen sie in der rauen Tonart einer Kim Deal in Rhododendron. Jupiter‘s Dance basiert auf einem R&B-Beat, der angenehm dezent daherkommt. Produzent Brad Cook (Waxahatchee, Snail Mail) hat gute Arbeit geleistet.

Im Titelsong geht es um Bäume, Vögel, Bienen, Flüsse und Seen. In Precious Cargo ist der Mensch das beherrschende Thema. Alynda beschreibt die inhumanen Zustände in den berüchtigten Auffanglagern der ICE, der Polizei- und Zollbehörde des Ministeriums für Innere Sicherheit in den USA. Alynda war dort zusammen mit der Bürgerinitiative Freedom For Immigrants, hat mit Insassen gesprochen und sich für die Freilassung engagiert. „I walked all of this way, but me no never see no handcuffs til I get to the USA“, singen sie, gefesselt von den Beobachtungen und Erzählungen. Am Ende hört man Namen von Städten und Staaten, in denen diese Einrichtungen stehen, und Worte eines Zeugen: „Immigrants are suffering.“

Alynda sagt, sie seien dieses Mal in die Rolle eines Naturpunks geschlüpft. Punks sind für sie allgemein als Personen zu verstehen, die nicht zur Mitte der Gesellschaft gehören, Rebellen, Aktivisten, Andersdenkende, Freaks. Das passt zum flapsigen Bezug, zum riff-raff im Bandnamen (übersetzt Gesocks, Gesindel). In der Musik kommt es nie zu hohlem Gedröhne oder lautem Poltern. Auch in Momenten der Unruhe dominiert Feingefühl. Selbst die sonst so temperamentvollen Mardi-Gras-Bläser werden in Rosemary Tears subtil integriert. Kin enthält Klänge einer singenden Eiche, von Wind und Vögeln im Stadtpark von New Orleans. Alynda sorgt mit verschiedensten Mitteln für Funken von Hoffnung. Die Situation um uns herum mag übel sein, aber irgendwie wird es schon werden, resümieren wir. Life on earth is long – mit diesem Grundtenor kann man total gut leben. Mit dem Album erst recht.

Hurray For The Riff Raff – Life On Earth
VÖ: 18. Februar 2022, Nonesuch/Warner Music
www.hurrayfortheriffraff.com
www.facebook.com/hurrayfortheriffraff

Hurray For The Riff Raff Tour:
19.09. Köln, Jaki
20.09. Berlin, Hole44

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