KING GIZZARD & THE LIZARD WIZARD – Changes

Foto-© Jason Galea

And all that was green is fire and dust
And all that was blue has dried up
And all that we knew has dropped off the edge of waterfalls
What’s after Armageddon?

(King Gizzard & the Lizard Wizard – Exploding Suns)

Wir schreiben das Jahr 2052. Weite Teile Australiens sind mittlerweile unbewohnbar, mit 61°C wurde vor kurzem die höchste jemals gemessene Temperatur erreicht; die Nahrung ist knapp, denn Landwirtschaft ist kaum noch möglich – und King Gizzard & the Lizard Wizard veröffentlichen gerade ihr 99. Studioalbum. Kein unrealistisches Zukunftsszenario, wenn es so weitergeht mit King Gizzard und der Welt, in der sie leben.

Zu solchen Tagträumen hat mich Changes, das neueste Album der wohl produktivsten Rockband der Welt, angeregt. Denn in den sieben Tracks des Albums dreht sich alles um die großen Fragen der Zukunft und den menschlichen Umgang mit Veränderungen. Es ist der Abschluss eines wahnsinnigen Albenzyklus, der im Frühjahr mit Made in Timeland begann, das überladene und geniale Omnium Gatherum nachschob, um dann in diesem Oktober drei weitere Alben folgen zu lassen: Das in einer einzigen Woche entstandene Ice, Death, Planets, Lungs, Mushrooms and Lava (das definitv seine eigene Review verdient), die Fortsetzung zu Made in Timeland, Laminated Denim (Anagramm erkannt?) und nun schließlich das nachdenkliche Changes. Ja, es dauert immer eine Weile, um bei den Zauberechsen zum Punkt zu kommen, aber Durchhalten lohnt sich.

Wenn man also direkt aus einem Alben-Binge der fast dreieinhalb Stunden Songmaterial kommt, die bis Changes allein dieses Jahr schon von der Band erschienen sind, dann überrascht die neue und für dieses Jahr hoffentlich (!?) letzte Platte allemal. Hier geht es so ruhig und konsistent zu wie auf kaum einer King-Gizz-Platte. Das Ambiente ist weich und groovy, wenn auch zwielichtig. Wie so oft entstammen alle Songs langen Improvisations-Sessions, bei denen Stu Mackenzie und seine Band ein musikalisches Thema entwickeln und daraus einzelne Variationen ableiten.

Der opulente Opener Change (13 Minuten) breitet also schon einmal das aus, was uns klanglich erwartet: Lange Progressions auf Keyboard und Synthesizer, ein bisschen Funk hier, ein bisschen Ambient Sounds dort. Und darüber altbekannter Lizard-Wizard-Rock. Alle sechs klanglichen Themen werden nach dem Eingangssong in eigenen Tracks aufgegriffen.

Bei Hate Dancin’ muss man, auch wenn es wirklich schmerzt, an die Scissor Sisters und ihren 2000er-Hit denken. Hier passiert nicht viel, die Entdeckung der eigenen Lust am Tanzen ist schließlich keine wirklich interessante Veränderung. Dann allerdings kommen KGLW mit den großen Themen des Albums um die Ecke: Auf Astroturf prangert Mackenzie die Zerstörung der Umwelt an, und dabei kippt die Stimmung relativ schnell: „Everything’s dead here“, lautet die erste Zeile. Da ist mein eingangs beschriebener Tagtraum kein Wunder.

No Body greift Descartes‘ Leib-Seele-Problem in einem stimmungsvollen Track über den Tod auf. Größer geht es kaum: „In death I know, life was a hallucination.“ Diese Reflexion in einem auch ansonsten wunderschönen Song bildet das emotionale Herzstück des Albums. Es wird deutlich, dass die Band die besungenen „Changes“ mindestens skeptisch, wenn nicht sogar voll und ganz pessimistisch sieht.

Die zweite Hälfte des Albums bringt musikalisch nicht mehr viel mit, dafür sehen wir weitere textliche Auslegungen des Albumthemas: Die Frage nach dem freien Willen, transportiert durch die Auseinandersetzung mit einem Parasiten (Gondii), und schließlich die größtmögliche Veränderung – das Ende der Welt – auf Exploding Suns. Hier kulminiert das Album mit einem wunderbaren Kontrast zwischen den endzeitlichen Lyrics und einem friedlichen Arrangement. Der Abschlusstrack Short Change verblasst dagegen etwas.

Es macht Spaß, zu entdecken, wie viel Arbeit in diesem neuesten Projekt von King Gizzard steckt. Nach eigener Aussage saßen sie seit 2017 an Changes. Wohl noch nie hatten Mackenzie & Co. so lange an einem Album gearbeitet. Im Ergebnis steht Methode in Reinform, und dadurch hören sich die 40 Minuten auf dem Album wieder einmal an wie aus einem Guss, wenn auch nicht ganz wie ein einziger Song (was wohl der ursprüngliche Plan der Band war). Damit ist Changes noch etwas mehr Konzeptalbum als Ice, Death, Planets…, aber nicht ganz so sehr wie Laminated Denim. Ein nicht immer aufregender, aber würdiger Balanceakt also. Auf die nächsten Changes und die nächsten 76 Alben!

King Gizzard & the Lizard Wizard – Changes
VÖ: 28. Oktoeber 2022, Virgin Music
www.kinggizzardandthelizardwizard.com
www.facebook.com/kinggizzardandthelizardwizard

YouTube video

Phillip Kaeding

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