SYML – The Day My Father Died


Foto-© Sarah Cass

Love is in the actions
Like a brace on a broken knee
Give me time and give me patience
That will be enough for me

Breaking through the clouds
Feels impossible now, oh-oh-oh
Breaking through the clouds
Feels impossible now, oh-oh-oh
I think I lost myself, yeah I lost myself

(SYML – Lost Myself feat. Guy Garvey)

Erst vor wenigen Tagen wurde der in Issaquah im US-Bundesstaat Washington geborene Singer-Songwriter Brian Fennell alias SYML 40. Ein runder Geburtstag also – und für Musiker, die den ganz großen Durchbruch im Pop bis dahin nicht geschafft haben, auch eine Art Wegegabelung: Gelingt es doch noch, mit zugänglicher und zugleich ambitionierter Musik ein breiteres Publikum zu erobern, oder bleibt es bei einem auskömmlichen, durchaus ehrenwerten Nischendasein?

SYML (walisisch für “simpel”) beantwortet die Frage mit seiner zweiten Studioplatte The Day My Father Died noch nicht eindeutig. Das mit 15 Stücken überlange Album strebt zwar mit Believer, dem Titelsong oder kurz danach Chariot mehrfach nach dem großen, vielleicht etwas zu simplen (sorry!) Mitsing-Refrain. Es enthält aber auch grandiose, toll komponierte und sensibel arrangierte Herzschmerz-Balladen wie Howling (feat. Lucius), Lost Myself, Feel The Pain oder Caving In – und allerhand solides, feines Zuckerbäckerhandwerk dazwischen.

Besonders Lost Myself, bereits als Vorbote von The Day My Father Died ausgekoppelt, ist eine echte Trumpfkarte des sympathischen Herrn Fennell. SYMLs beeindruckende Falsett-Stimme wird hier vom imposanten Gesang eines gewissen Guy Garvey flankiert. Und selbst wenn man einräumen muss, dass der britische Elbow-Frontmann mit seinem freundlichen Knuddelbären-Charisma unschlagbar ist, so darf man doch vor seinem US-Duettpartner den Hut ziehen – der Mut hat sich ausgezahlt.

Mit einem auf andere Weise klaren Vorbild biegt Sweet Home um die Ecke – hier ist es der wundersame Westcoast-Harmoniegesang von Crosby, Stills & Nash (deren wichtigste Stimme David Crosby leider kürzlich verstummt ist), an dem sich SYML unverhohlen orientiert. Auch You And I mit Charlotte Lawrence lebt von einer schlicht-schönen Gitarrenmelodie und einem reduzierten Gestus, der anderen, allzu bombastisch aufgepolsterten Stücken gut getan hätte.

Fennell hat ein (der Albumtitel deutet es schon an) hochgradig autobiografisches und damit per se mutiges Zweitwerk vorgelegt. Seine Kindheit sei geprägt gewesen “von Momenten der Verlassenheit, Adoption, Verlust, Trauer und Liebe – und genau dies veranlasst ihn zu fragen, wie uns Verbindungen zu Menschen als Individuen verändern”, heißt es im hilfreichen Erklärtext zu The Day My Father Died. Die persönliche, gelegentlich schmerzhafte Perspektive habe ihm geholfen, den Tod seines Adoptivvaters im Jahr 2021 zu verarbeiten.

Mit dem nachdenklichen Barockpop-Song Corduroy klingt eine Platte aus, die trotz mancher kleiner Schwächen viel Schönes anzubieten hat. Ob SYML damit nun in die erste Liga der heutigen Pop-Crooner (zu nennen sind hier Richard Hawley, Rufus Wainwright, Stuart Staples von Tindersticks oder Neil Hannon von The Divine Comedy) aufsteigt, darf noch bezweifelt werden. Wenn er mit dem nächsten Versuch beim Songwriting noch eine Schippe drauflegt und durchgehend das hohe Niveau seines Gesangs erreicht, könnte es aber was werden.

SYML – The Day My Father Died
VÖ: 03. Februar 2023, Nettwerk Records
www.symlmusic.com
www.facebook.com/SYMLMUSIC

SYML Tour:
10.03.23 Köln, Bürgerhaus Stollwerck
15.03.23 München, Ampere
19.03.23 Berlin, Heimathafen
20.03.23 Hamburg, Übel & Gefährlich

YouTube video

Werner Herpell

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