YO LA TENGO – This Stupid World


Foto-© Cheryl Dunn

I see what you see, I see wintеr still
I see clearly how it ends
I see the moon rise as the sun descends

(Yo La Tengo – Sinatra Drive Breakdown)

Seit nunmehr über 30 Jahre und 16 Alben besteht die aus New Jersey stammende Indie Rock-Band Yo La Tengo in ihrer jetzigen Formation aus den drei Musiker*innen Ira Kaplan (Gitarre & Gesang), Georgia Hubley (Drums & Gesang) und James McNew (Bass & Gesang) und kann dabei auf eine kultartige, treue Hörerschaft vertrauen, die vom ehrlichen und direkten Soundmix des Trios aus Shoegaze, Alternative und etwas Noise Pop einfach nicht genug bekommen kann. Mit This Stupid World erblickt jetzt zwar also bereit Album Nummer 17 das Licht der Welt, dennoch liefert die Platte eine Premiere für Yo La Tengo: Erstmals hat die Band nicht mit externen Produzenten und Mischern zusammengearbeitet, sonder alles selbst in die Hände genommen. Durch das Live-Einspielen der Tracks ist das Ergebnis verspielt, unmittelbar und wunderbar ungehobelt.

Es ist nicht verwunderlich, dass einer Band mit so langem Bestehen wie Yo La Tengo reife, bewanderte und reflektierte Überlegungen durch den Kopf gehen. Wo steht man als Musiker*in mit Kreativität, Thematiken und Können? Erinnert man sich noch an die musikalischen Anfänge? Und wohin werden sich zukünftige Songs wohl entwickeln? So unmöglich es ist, sofort alle Antworten auf diese Fragen parat zu haben, wissen Yo La Tengo um den roten Faden, der alles verbindet und dessen genauere Beleuchtung im Mittelpunkt der insgesamt neun neuen Songs steht: die Zeit. “I see clearly how it ends / I see the moon rise as the sun descends”, singt die Band zukunftsdeutend im Opener Sinatra Drive Breakdown während der E-Bass post-punkig umgeben von geradlinigen Drums und schrebblige Gitarren wummert. Und direkt einen Track weiter gehüpft, tritt in Fallout ein ganz konkreter Wunsch im Raum-Zeit-Kontinuum an die von melodiöser Gitarren-Distortion untermalte Oberfläche: “I want to fall out of time / Reach back, unwind“ – Ira Kaplan singt diese Zeilen mit so einer fühlbaren Aufrichtigkeit, die sofort ins mitwippende Herz greift – irgendwie weiß man hier sofort, was die Textzeilen sagen wollen und fühlt sich aus der Seele gesprochen.

Allzeit ist die besondere Energie spürbar, die die Band ihren Stücken durch das Live-Einspielen eingeflößt hat, sodass Yo La Tengo bei aller Reminiszenz ihrem Sound gleichzeitig ein Hier-und-Jetzt-Gefühl verleihen. Hier sticht Tonight’s Episode heraus, das nach anfänglich ruhigen Intro von Feedback-Loop und treibend repetitiver Rhythmus-Sektion nur den schwungvollen Weg nach vorne kennt. Stimmig abgerundet wird diese vielseitige Platte durch Einwürfe von auch mal (fast) verzerrfreiem, luftigen Gitarrensound (Until It Happens), meditativer Zuversicht (Apology Letter) und beatlastigem, psychedelischem Outro auf Überlänge (Miles Away).

Auf die Grübelei über ihre verschiedenen Positionen auf dem Zeitstrahl folgend, lassen Yo La Tengo schlussendlich Raum für Optimismus in einer Welt, die immer aufs Neue an einem zerrt und nagt. “You feel alone / Friends are all gone”, singt und Drummerin Hubley auf dem letzten Song der LP und wir teilen ihre Hoffnung, wenn sie fortfährt: “Keep wiping the dust from your eyes”

Yo La Tengo – This Stupid World
VÖ: 10. Februar 2023, Matador Records
www.yolatengo.com
www.facebook.com/TheRealYLT

Yo La Tengo Tour:
20.04.23 Hamburg, Übel & Gefährlich
23.04.23 Köln, Gloria
25.04.23 Berlin, Huxleys

YouTube video

Robert Heitmann

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