CAROLINE ROSE – The Art of Forgetting


Foto-© Cristina Fisher

Jill says I’m gonna be just fine
Jill says people do this all of the time
Everything will be alright
Jill says I got a lot on my mind
Jill says it’s just my attachment style
Well go on ahead, now I’m listening

Jill says when I was a little kid
I learned how to be affectionate
It’s why I need to feel loved
Sometimes I need to be touched
Maybe my mother coddled me a little too much?
And I’ve suppressed all of this as an adult?
Do you see this as a weakness?

(Caroline Rose – Jill Says)

Sie macht es Rezensenten nicht leicht. Vereinfachende, damit auch eingrenzende Genre- oder Stil-Schubladen sind nämlich auf Dauer keine Option bei Caroline Rose, einer 33-jährigen Indie-Musikerin aus Long Island/New York. “Gifted and witty singer/songwriter whose creative shape-shifting sees them moving from folky roots rock to dance-friendly pop”, heißt es daher etwas ratlos beim Online-Lexikon Allmusic. Mit dem fünften Studioalbum bleibt Rose eine der rätselhafteren, auch spannenderen Künstlerinnen der aktuellen US-Popszene.

The Art Of Forgetting setzt sich aus 14 Songs beziehungsweise Sample-Interludes (mit liebevollen Telefonbotschaften der Großmutter) zusammen, die eine zeitweise an Kate Bush oder P.J. Harvey erinnernde Magie entwickeln können, manchmal aber auch ein wenig skizzenhaft oder unfertig bleiben. Der Opener Love/Lover/Friend oder The Doldrums haben diese verzaubernde Wirkung von Songs, wie man sie nun wirklich nicht an jeder Youtube-Ecke zu hören kriegt, die dem Hörer zugleich gänzlich ungewohnt und seit langem sehr vertraut vorkommen.

Stockholm Syndrome ist ein zunächst geradliniger Gitarrenrock-Track, der dann leider schon nach 100 Sekunden abbricht. Tell Me What You Want ist der heimliche Hit dieses Albums, aber auch hier wird es nicht zu eingängig, daran hindert schon die etwas verwaschene, dem puren Wohlklang abholde Lo-Fi-Produktion.

Love Song For Myself ist mit wunderbar flirrenden akustischen Gitarren und Caroline Roses geschichteten Vocals der nächste Höhepunkt des Albums, ehe Rose für die cineastisch arrangierte Ballade Jill Says mit Plinker-Piano, Harfe und Strings noch einmal das große Besteck herausholt. Am Ende des sechseinhalbminütigen Closers Where Do I Go From Here? antwortet die Sängerin endlich auf die Fragen der Oma – es fühlt sich wie das versöhnlich-harmonische Finale eines Roadmovies an.

Das Vorgängeralbum Superstar wurde Anfang März 2020 veröffentlicht und wie schon Loner (2018) von der Kritik hochgelobt – ehe die Corona-Pandemie der Künstlerin das Momentum raubte. Für ihr neues Werk ließ sich Caroline Rose nun noch weniger auf Kompromisse ein und übernahm auch die Produzentinnen-Rolle. Tonband-Effekte, Loops und alte Synthesizer erzeugen ein manchmal unscharfes, aber eben auch faszinierendes Klangbild; Gitarre, Bass, Schlagzeug und Klavier setzen darüber weitere musikalische Akzente.

The Art Of Forgetting klingt letztlich so, als sei Caroline Rose auf dem Umweg über Folk, Country, Rockabilly und glamourösem Pop nun stilistisch bei sich angekommen. Bis zum nächsten “shape-shifting” dieser tollen US-Musikerin – man darf darauf gespannt sein.

Caroline Rose – “The Art Of Forgetting”
VÖ: 24. März 2023, New West Records
www.carolinerosemusic.com
www.facebook.com/carolinerosemusic

Caroline Rose live:
27.05.23 Hamburg, Nochtspeicher
28.05.23 Neustrelitz, Immergut Festival
29.05.23 Köln, Stadtgarten
16.06.23 Duisburg, Traumzeitfestival
17.06.23 Mannheim, Maifeld Derby
03.08.23 München, Milla
06.08.23 Berlin, Kantine am Berghain

YouTube video

Werner Herpell

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