JORJA SMITH – falling or flying


Foto-© Ivor Alice

„Ask me about me again“, fordert Jorja Smith in den ersten Zeilen ihres neuen Albums. Auf falling or flying zeigt die britische Künstlerin wieder, was sie am besten kann: nachdenklichen R&B, der immer irgendwie verloren und zugleich selbstbewusst klingt. Der Opener Try Me ist ein Paradebeispiel dafür:

I’ve changed?
There’s only been one thing that I’ve changed
Nothin’ is ever enough
I don’t have to tell you what I’ve changed

(Jorja Smith – Try Me)

Jorja Smiths Sound mag auf den ersten Blick zurückhaltend, reduziert und minimalistisch wirken, doch mit jedem Track auf falling or flying wird das Werk eindringlicher. Subtile Beats und tragende Rhythmen treffen auf die emotionsgeladene Stimme der 25-Jährigen, etwa wenn sie in She Feels singt: „Years goin’ fast, the memories, come back when I feel alone, I’ve been on fire, but I woke up“ und dabei klingt, als wäre sie den Tränen nah.

Es ist einiges passiert, seit Jorja Smith 2016 mit Blue Lights, einem Song über Rassismus und Polizeigewalt, auf der Bildfläche erschien. Eine Grammy-Nominierung für ihr Debütalbum Lost & Found, internationale Kollaborationen mit Kendrick Lamar, Drake und Burna Boy. Ihre EP Be Right Back wurde 2021 von der Kritik gelobt und der Song Addicted verfestigte ihren Ruhm als Sängerin herzzerreißender Balladen.

Dabei prägt der Rhythmus Jorja Smiths Musik mindestens so sehr wie der Blues. Ihr neustes Werk ist teilweise richtig tanzbar: In Little Things treffen eine treibende Bassline und Latin-angehauchte Drums aufeinander. Der Song beschreibt eine aufgeladene Begegnung auf einer Party, die Erwartung ist von vornherein gesetzt: „Won’t you come with me and spend the night?“

I didn’t know that you’d be here tonight
Saw you again, think this must be a sign
Nothing you said, it was all in your eyes, oh
Can I get close, even for just one time

(Jorja Smith – Little Things)

Jorja Smith verhandelt die großen Gefühle: Liebe, Sex, Verlangen, Vermissen. Auch der Titelsong falling or flying handelt von einer Verliebtheit, deren Outcome noch unklar ist: „I could be fallin’ or flyin’, I wouldn’t know the differеnce.“ Das rhythmische Schlagzeug und seichte Gitarrenklänge unterstreichen diese Ambivalenz.

In Go Go Go macht sie keine Kompromisse, ist brutal ehrlich mit ihrem Flirt: „I don’t know you that well and I’m not tryna get to know you / One more night till I let you down, I let you down, you gotta go.“ In Broken Is the Man zieht sie dagegen Bilanz über eine Beziehung, von der sie weiß, dass sie toxisch war: „Can you believe I put myself through that all? Just to realise you mean nothing to me“, heißt es über dröhnende Beats.

Das Album endet mit einer schmerzhaften Selbstreflexion: In What if my heart beats faster? singt Smith davon, ihre Gefühle für jemanden, der es vielleicht verdient hätte, nicht ausdrücken, vielleicht selbst nicht mal richtig zulassen zu können: „If I ever find / My heart beat faster, oh / I could love for miles / And still not open up, oh.“

Auf falling or flying nähert Jorja Smith sich ihrer eigenen Verletzlichkeit immer wieder von verschiedenen Seiten – und verdeutlicht dabei, dass zu wissen, was man will, und sich absolut verloren zu fühlen, manchmal ganz schön nah beieinander liegen können. Gerade diese Gleichzeitigkeit ist es, die dieses Album so eindrucksvoll macht.

Jorja Smith – falling or flying
VÖ: 29. September 2023, Sony Music
www.jorjasmith.com
www.facebook.com/jorjasmithmusic

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Marit Blossey

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