LA FORTUNA – Kritik


Foto-© Pandastorm

This is what you and I were born to do. To discover. Just like Indiana fucking Jones.

(Frank Wild – La Fortuna)

Kapitän Frank Wild (Stanley Tucci) und die Crew seines Forschungsschiffes stoßen eines Nachts auf ein Schiffswrack im Atlantik. Nach der Untersuchung ihres Fundes mit einem U-Boot wird schnell klar, dass sie einen riesigen Schatz aus Münzen und Galleonen gefunden haben, der vermutlich mehrere Millionen wert ist. Das wird gefeiert und in einer Pressekonferenz bekannt gegeben. Frank ist glücklich, denn er sieht sich in der Tradition der großen Abenteurer und Entdecker und liebt historische Rätsel und sagenumwobene Orte wie Atlantis und Troja. Als Vorbild bezeichnet er meistens Indiana Jones – er ist ein Träumer und Idealist.

Dadurch prallt er auch schnell auf die harte Realität. An diesem Schatz hat nämlich nicht nur er Interesse: Weil das Wrack nahe Gibraltar gefunden wurde und es sich dabei höchstwahrscheinlich um das spanische Schiff La Fortuna handelt, das 1804 nach einer Seeschlacht mit England unterging, erhebt die spanische Regierung einen Anspruch auf die Goldmünzen. Im Auftrag des ruppigen, ungeduldigen Kultusministers (Karra Elejalde) wird der junge, unerfahrene Diplomat Alex Ventura (Álvaro Mel) auf die heikle Mission geschickt, innerhalb einer Woche Beweise zu finden, dass es sich bei dem Schiff wirklich um La Fortuna handelt, damit sie Klage einreichen und Frank den Schatz abnehmen können. Begleitet wird Alex von der eigensinnigen und schnippischen Historikerin Lucia Vallarta (Ana Polvorosa). Zusammen verstricken sie sich immer tiefer in ein Netz aus Lügen, Polit-Intrigen und Vertuschungen.

Eine Miniserie von Oscar-Preisträger Alejandro Amenábar (The Others, Das Meer in mir) über den Fund eines Schatzes im Atlantik? Das klingt nach Abenteuer, vielleicht ein bisschen nach Fluch der Karibik in einem anderen Setting. Man erwartet einen Indiana-Jones-Plot mit Stanley Tucci, bekommt aber stattdessen einen Blick hinter die Kulissen der politischen Machtspiele und einen Hochglanz-Thriller, beziehungsweise ein Gerichtsdrama in sommerlichem Ambiente.

Stilistisch ist die Serie recht klassisch gehalten und geradeaus erzählt, es gibt keine narrativen Experimente. Sie behandelt große Themen wie Idealismus vs. Konservativismus, Träume vs. Realität, Freiheit vs. Besitzrechte, Opfer und Täter der Geschichte, Betrug, Intrigen und bürokratische Verwicklungen. Für die Figuren geht es darum, wie weit man für seine Träume oder seine Karriere geht – und wann und wie das eine dem anderen im Weg stehen kann.

Dabei berührt La Fortuna auch das Kulturerbe und die Frage, wem historische Funde gehören. Das ist ein hochaktuelles und brandheißes Thema, gerade im Hinblick auf die Aufarbeitung des Kolonialismus. Hier bleibt man allerdings lieber auf der sicheren Seite mit mehrheitlich weißen, reichen Protagonisten und einem Konflikt zwischen England, beziehungsweise den USA und Spanien. Dadurch ist die Serie nicht so kontrovers und aufrüttelnd, wie sie sein könnte; die Frage nach dem Kolonialerbe des Schatzes, der aus Goldmünzen besteht, von denen nur vage angedeutet wird, sie seien 1804 in Amerika „gesammelt“ und dann vom spanischen Schiff La Fortuna nach Europa transportiert worden, wird überhaupt nicht aufgemacht. Dadurch verschenkt die Serie politisch relevantes Potenzial, obwohl durchaus Kritik geübt wird an der spanischen Regierung und der Zerstrittenheit und Ineffizienz von politischen Akteuren, die ihre eigenen Agendas verfolgen.

Aber auch Frank ist kein Underdog im klassischen Sinne, der gegen die Institutionen kämpft wie ein Freiheitsheld; er ist der reiche Chef des größten Schatzsucherunternehmens der Welt und daher weniger Indiana Jones, sondern eher ein Dandy (im Stil von Elon Musk), der sich große Abenteuer leisten kann, versucht, diese als Gewinn für die Allgemeinheit zu verkaufen und denkt, für ihn gelten die Regeln nicht. Dadurch ist er eine interessante Subversion von Sympathieträgern und rebellischen Figuren wie Indiana Jones. Franks ehemaliger Rechtsberater und Freund Jonas Pierce (Clarke Peters) nennt ihn einen Piraten, meint das aber nicht romantisch-verklärend: Frank stehle Schätze, die er an Museen übergeben sollte, und das sei es gewesen, was Indiana Jones eigentlich getan habe: Diebe und Plünderer aufzuhalten.

Die Serie hat also ihre Schwächen, ist aber trotzdem fesselnd genug, da man als Zuschauer*in auch nicht immer genau weiß, auf wessen Seite man gerade steht, und sich mit seinen eigenen Werten und Sympathien für die Figuren auseinandersetzen muss – und nicht alles so ist, wie es zunächst scheint.

La Fortuna (2021 ESP / USA)
Regie: Alejandro Amenábar
Besetzung: Stanley Tucci, Álvaro Mel, Ana Polvorosa, Clarke Peters, Karra Elejalde, T’Nia Miller, Duncan Pow, Manolo Solo
Heimkino-VÖ: 3. November 2023, Pandastorm

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Tamara Plempe

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