LISA FRANKENSTEIN – Filmkritik


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I could get the clink for life or the electric chair, but I don’t wanna die a virgin.

(Lisa Swallows – Lisa Frankenstein)

Nachdem ein paar Jahre zuvor Lisas Mutter vor ihren Augen ermordet wurde, sind sie (Kathryn Newton) und ihr Vater (Joe Chrest) mehr oder weniger in einer neuen Patchworkfamilie angekommen. Wobei ihr Vater ein bisschen wie auf Valium durchs Leben geht, ihre böse Disney-Stiefmutter (Carla Gugino) sie terrorisiert und einzig ihre neue cheerleadende Schwester Taffy (Liza Soberano) vollumfänglich zu ihr steht, obgleich sie einer ganz anderen Highschool-Kaste angehört…und nicht die hellste ist.

Fangen wir mal mit dem an, was Lisa Frankenstein nicht ist: Es ist keine Genderswap Frankenstein (1931) Geschichte, nein nicht einmal eine Genderswap Frankenhooker (1990) Geschichte. Wobei es schon klar ein Kommentar auf letzteren, wie auch alle anderen Filme, in denen pubertierende Jungs sich ihre „perfekte“ Freundin bauen, darstellt. Spirituell ist der Film eine Fortsetzung des 2009er Jennifer’s Body. Ebenfalls eine schwarzhumorige Horrorkomödie, aus der für das Genre ungewöhnlichen weiblichen Perspektive. So fokussiert sich auch das Marketing mehr auf Diablo Cody, die Drehbuchautoring beider Werke, als auf Robin Williams Tochter Zelda, die hier ihr bemerkenswertes Regiedebut abgibt. Im Englischen wird der Film als „Coming of Rage“-Story beworben und so ist er eben im Kern die „coming of age“ Geschichte der missverstandenen Lisa, die sich als einzige aktiv mit dem Tod ihrer Mutter auseinandersetzen möchte und deshalb isoliert als Gothic-Mädel abgetan wird.

Wobei klarzustellen ist, dass sie im Laufe der Geschichte absolut vom Opfer zur Täterin wird und ohnehin von Anfang an nicht ohne charakterliche Schwächen dasteht. Das macht sie zwar zu einer ungewöhnlichen Protagonistin, denn eben diese sind meist nahezu perfekt und genau das macht sie eben zu einer realistischeren und interessanteren Protagonistin als die meisten. Wobei Realismus in Lisa Frankenstein insgesamt sehr klein geschrieben wird. Wir befinden uns in der Hyperrealität der 80er (1989, um genau zu sein) und folgen einer Teenagerin, die in Madonna-Outfits Leichenteile für ihren Traummann zusammen schlachtet. Wer hier Realismus erwartet, sollte spätestens bei dem Cartoon Intro merken, dass dies nie das Ziel dieses Experiments war. Optisch wie inhaltlich wird eine Welt erschaffen, die auch Tim Burton gut zu Gesicht stehen würde und auch ihm sicherlich ein morbides Lächeln auf sein fahles Gesicht zaubert. Getragen wird der Witz dabei neben Zombie- und anderer Horrorgenre- Kommentaren und Gags hauptsächlich durch die fantastische Performance von Kathryn Newton als Lisa. Spielte sie zuletzt in der vom Genre ähnlich gelagerten Bodyswap-Slasherkomödie Freaky (2020) noch die eiskalte Killerin (Körpertausch mit Vince Vaughn sei dank), darf sie hier von verträumt bis manisch leise bis laute Emotionen voll ausspielen und nebenbei auch noch einfach hinreißend in den eingangs erwähnten Madonna Outfits aussehen. Ähnlich hinreißend ist auch ihr Experiment, gespielt von Cole Sprouse. Je nach Zustand von abstoßend bis anziehend schafft er nur mit Stöhnen (von abstoßend bis anziehend 😉) fast die komplette Periodentafel der menschlichen Emotionen glaubhaft oder zumindest verständlich darzustellen.

Wie Tim Burton und die ganze Gothic-Subkultur, sicher kein Film für jeden. Aber einer, der es schafft gleichzeitig unglaublich speziell, in seiner Botschaft, aber absolut universell zu sein und dabei noch eine ganze menge Spaß macht. Dabei trifft nicht jeder Witz ins Schwarze, aber es muss ja auch nicht immer alles schwarz sein oder vielleicht doch?

Lisa Frankenstein (USA 2024)
Regie: Zelda Williams
Besetzung: Kathryn Newton, Cole Sprouse, Liza Soberano, Carla Gugino, Joe Chrest
Kinostart: 22. Februar 2024, Universal Pictures Germany

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Malte Triesch

Malte wuchs im idyllischen Lilienthal, direkt an der Grenze zu Bremen, der schönsten Stadt im Norden Deutschlands, auf. Seine frühesten Film-Erinnerungen ist, auf dem Schulhof in der neusten TV Movie alles anzustreichen was gesehen und aufgenommen werden muss. Da die Auswahl an Horrorfilmen hier doch recht be- oder zumindest stark geschnitten war entdeckte er Videotheken für sich bzw. seine Mutter, da man diese ja erst ab 18 betreten durfte. Wenn er nicht gerade Filmreviews schreibt ist er wahrscheinlich im (Heim-)Kino oder vor dem Mikrophon für den OV Sneak Podcasts, SneakyMonday.

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