SAM EVIAN – Plunge


Foto-© CJ Harvey

It’s a rude world we’re meant to wander,
Do you feel you’re slipping under
Every night?
Getting through,
Running us so ragged,
Just when you think you had it, they twist
the knife.

Are you blue, baby, in the morning?
The doctor gives his warning,
It’s terrifying.
So spin a dream,
No one else’s making,
Nothing there for taking, in the morning
Light.

Let it down, let it down,
You’re carrying all the weight of the world.
Put it all by you.
Let it down, let it down,
I want you to know that you’re safe here.
I want you to stay here, by my side.

(Sam Evian – Stay)

Es hat ja oft etwas Berührendes, manchmal aber auch Unbehagliches, wenn Singer-Songwriter aus der Perspektive ihrer Eltern schreiben. Im für die Erzeuger günstigen Fall fällt die Anverwandlung väterlicher oder mütterlicher Erlebnisse und Sichtweisen freundlich bis liebevoll aus, bisweilen aber auch so sezierend und komplex wie in Carrie & Lowell (2015) von Sufjan Stevens. Irgendwo dazwischen scheint Plunge von Sam Evian zu liegen.

Das vierte Album des renommierten Indiepop-Produzenten, der durch seine Arbeit mit Big Thief, Blonde Redhead und Cass McCombs bekannt wurde, schildert mit dem Weichzeichner eines sonnig-üppigen, eleganten 70er-Jahre-Songwriter-Pop die “komplizierte Liebesgeschichte” seiner Eltern (so Evians Label-PR). Los geht’s mit dem bereits vorab veröffentlichten Track Wild Days, der aus dem Blickwinkel der Mutter von Sam Griffin Owens aka Sam Evian geschrieben ist. Der nostalgische, zwischen Soft-, Power-, Piano- und Glam-Pop pendelnde Plunge-Sound kündigt sich hier schon an. Diese Klangkulisse setzt sich fort in den zentralen Tracks Why Does It Take So Long? und Freakz, bis die Reise im melancholischen, beatles-ken Walzer Stay mit tröstlichen Worten zu Ende geht: “I want you to know that you’re safe here / I want you to stay here, by my side.” Seufz.

Evians neues Label Flying Cloud Recordings schildert den Beginn der Sessions als pure Idylle: “Es war Silvester 2022, die Nacht, bevor Sam Evian mit den Aufnahmen zu ‘Plunge’ begann. Er lud seine Freunde auf sein Anwesen in den Catskills ein, wo er gerade in mühevoller Kleinarbeit seine Flying Clouds Studios in eine neue Scheune auf dem Grundstück verlegt und umgestaltet hatte. Adrianne Lenker (die Frontfrau von Big Thief) brachte einen Krug Ahornsirup aus Vermont mit, Sufjan Stevens zündete ein Feuerwerk auf der Wiese, und um Mitternacht stürzte sich die Gruppe von Freunden in einen nahe gelegenen Bach, als es zu schneien begann.”

Die neun Lieder wurden dann in den ersten Wintermonaten 2023 über einen Zeitraum von zehn Tagen aufgenommen. “Keiner kannte die Songs oder den Plan”, erzählt Evian. “Das war der Geist der Sessions. Keine Kopfhörer, kein Playback, minimale Overdubs oder Anzapfungen. Schnell und locker.” So lässig klingt, bei aller Tiefe der Songthemen (“Beziehungen, die ins Stocken geraten, scheitern und wieder zusammenkommen”), dann auch die gesamte Platte, die Fans von Kevin Morby, Cass McCombs oder Damien Jurado ebenso ansprechen dürfte wie solche von Harry Nilsson, T. Rex, David Bowie oder John Lennon (die etwas älteren Semester).

“Ich verbringe so viel Zeit damit, perfekte Aufnahmen für alle anderen zu machen“, sagt Evian. “Also war es ein kleiner Akt des Widerstands, etwas Wildes und irgendwie Abgefahrenes für mich selbst zu machen.“ Ob man Plunge nun tatsächlich als wild und irgendwie abgefahren empfindet, spielt eigentlich keine Rolle – auf jeden Fall ist diesem Musiker hier eine knietief in den Seventies verwurzelte, starke Singer-Songwriter-Platte geglückt.

Sam Evian – Plunge
VÖ: 22. März 2024, Flying Cloud Recordings
www.samevian.com
www.facebook.com/SamEvian

YouTube video

Werner Herpell

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