PERFECT DAYS – Filmkritik


Foto-© DCM

Onkel, danke für alles!

(Niko – Perfect Days)

Hirayama (Kôji Yakusho) lebt und liebt die analoge Vergangenheit, Routine, Konstanten, Ruhe und die Schönheit im Kleinen wie im Großen zu entdecken. Alles, was er tut, tut er voller Hingabe und Konzentration, so auch seinen Beruf als Toilettenreiniger.

Eines der vielen Klischees über Japan ist das Hochhalten von Tradition. Sei es bei Technik oder Bräuchen. Ein weiteres ist die Verbundenheit mit der Natur oder gar meditativ mit dem Kosmos. Ein weiteres sind die fantastischen Toiletten. Perfect Days ist ein Liebesbrief von Wim Wenders an alle drei. Dabei begann der Film, wie auch Hirayamas Geschichte, mit letzterem. Wim Wenders wurde nämlich angeboten, eine Dokumentation über eben diese überdurchschnittlichen Toiletten zu erstellen. Öffentliche Toiletten wohlgemerkt, die dann noch etwas schöner als sogar der japanische Standard sind, wurden sie doch extra für die Sommer-Olympiade 2020 in Tokyo entworfen. Wo also Hirayama im Reinigen der Toiletten und den Begegnungen, die sich aus dem Bewegen im öffentlichen Raum ergeben, so viel mehr zurückbekommt, als es bei diesem mondänen Job zu erwarten wäre, hat auch der Auftraggeber Uniqlo, mit dem in nur 17 Tagen gedrehten Film so viel mehr bekommen als eine mondäne Dokumentation über schöne Toiletten. Als Randnotiz sei noch erwähnt, dass Uniqlo bzw. der Fast Retailing-Konzern dahinter nicht im Toilettenbusiness ist, Uniqlo ist die Abkürzung von „Unique Clothing“ dem Modelabel des Konzerns.

Wim Wenders führt den Zuschauer auf wunderschöne und entspannte Art in Hirayamas Welt, indem er uns, durch Hirayama selbst, die Liebe zum Detail und die Ruhe erleben lässt. Eine Woche folgen wir seiner Routine aus früh aufstehen, sich um seine Bonsai kümmern, einen Kaffee aus dem Automaten ziehen und während der Fahrt zum nächsten Toilettenhäuschen trinken, um dann mit Hingabe Toiletten zu reinigen. Dabei wird fast gar nicht geredet und klassische Rock- und Popmusik von Kassette gehört, ja, es läuft auch Perfect Day von Lou Reed. So sehr wird man in den ruhigen Ablauf hineingezogen, dass man geradezu erschrocken ist, als ein Tag diesem nicht ganz folgt… aber Entwarnung, es ist schlicht Wochenende. Anstatt zur Arbeit begleiten wir Hirayama auf den Weg zu seinem Lieblingsbuchladen, in dem über ein gebrauchtes, 100 JYP-Buch (< 1 EUR) sinniert wird, als ob ein kostbares, lange verloren geglaubtes Kunstwerk den Besitzer wechselt. Ein bisschen Schwung bringt sein weniger versierter Kollege Takashi (Tokio Emoto), der lieber Frauen nachstellt als Toiletten anständig zu reinigen und im Gegensatz zu Hirayama nicht aufhört zu reden. Nach dem Wochenende kommt mit seiner Nichte Niko (Arisa Nakano) überraschend ein junges Mädchen in die Geschichte und sorgt gemeinsam mit weiteren Menschen für etwas Plot und mehr Reflektion über das Zwischenmenschliche als nur das Sein selbst.

Es bleibt aber sehr ruhig und bis auf ein, zwei Ausnahmen wird nahezu auf Dramaturgie verzichtet. Ein ruhiger, nachdenklicher Film, den man nicht genug loben und empfehlen kann. Wer Kritik üben möchte, kann darüber sinnieren, ob es die künstlerisch angehauchten, audiovisuellen Kollagen gebraucht hätte, mit denen Hirayama im Schlaf den Tag zu reflektieren scheint. Darüber hinaus ein perfektes Denkmal der Ruhe, Dankbarkeit und der zwischenmenschlichen Verständigung und mehr noch Verständnisses. Wie Niko im eingehenden Zitat möchte man sich am Ende des Films bei Darsteller Koji Yakusho, Regisseur Wim Wenders und nicht zuletzt Drehbuchautor Takuma Takasaki bedanken.

Perfect Days (DE JP 2023)
Regie: Wim Wenders
Besetzung: Koji Yakusho, Tokio Emoto, Arisa Nakano
Heimkino VÖ: 5. April 2024, DCM

YouTube video

Malte Triesch

Malte wuchs im idyllischen Lilienthal, direkt an der Grenze zu Bremen, der schönsten Stadt im Norden Deutschlands, auf. Seine frühesten Film-Erinnerungen ist, auf dem Schulhof in der neusten TV Movie alles anzustreichen was gesehen und aufgenommen werden muss. Da die Auswahl an Horrorfilmen hier doch recht be- oder zumindest stark geschnitten war entdeckte er Videotheken für sich bzw. seine Mutter, da man diese ja erst ab 18 betreten durfte. Wenn er nicht gerade Filmreviews schreibt ist er wahrscheinlich im (Heim-)Kino oder vor dem Mikrophon für den OV Sneak Podcasts, SneakyMonday.

Mehr erfahren →