PHOSPHORESCENT – Revelator


Foto-© Curtis Wayne Millard

I got tired of sadness
I got tired of all the madness
I got tired of being a badass all the time

(Phosphorescent – Revelator)

Das neunte Studioalbum mit neun Songs – Matthew Houk aka Phosphorescent mag stimmige Symbolik. Der Titel des Albums, Revelator, bedeutet übersetzt der Enthüller und weckt auch gleich biblische Assoziationen zu Propheten o. ä., wobei sich Houk klar von einer religiösen Auslegung distanziert und eher auf die spirituelle Dimension verweist: Enthüllung ist in diesem Sinn als Enttäuschung oder Desillusionierung zu verstehen, worin aber gleichzeitig auch die reinigende Chance für einen Neustart und eine Befreiung von Konventionen und Reue liegt.

Der erste Song Revelator, der auch als Single-Auskopplung fungiert, gibt den Ton für das Album vor. Musikalisch zeigt das Lied deutlich Houks Country- und Folkrock-Einflüsse. Die ersten schwermütigen Akkorde mit Violinen und Slide Guitar klingen so sehr nach Neil Young zu Harvest– oder Harvest Moon-Zeiten, dass man sich sofort auf eine abendliche Terrasse irgendwo in der amerikanischen Wildnis versetzt fühlt, den warmen Präriewind auf dem Gesicht spürt und einen aufgehenden Mond vor sich sieht, so stimmungsvoll und elegisch ist der Song. Außerdem fühlt er sich komplett zeitlos an und könnte vierzig Jahre alt sein oder erst einige Monate. Der melancholische Unterton erinnert an The xx oder Beans on Toast, und die Stimme an den jungen Bob Dylan, nur relaxter, sanfter, mit weniger Rage und Bitterkeit; der Weltschmerz ist aber der gleiche.

Inspiriert sind die Songs von kleinen Alltagsbegebenheiten oder Houks Familie: Das traurige The World Is Ending wurde von seiner Partnerin Jo Schornikow geschrieben, die ebenfalls Musik macht, den Song aber nicht auf ihrem Album verwenden wollte. A Moon Behind The Clouds erzählt von seinem Sohn, All The Same von einem Gedicht seiner Tochter, in dem sie beschreibt, dass Bäume mit Blättern und Bäume ohne Blätter alle gleich sind; eine Vorstellung, die Houk so simpel und doch so berührend fand, dass er sie in dem Song verarbeitet. A Poem On The Men’s Room Wall beinhaltet genau das, was draufsteht: Ein von verschiedenen, anonymen Barbesuchern in einzelnen Zeilen über einen längeren Zeitraum auf die Toilettenwand gekritzeltes Gedicht, an dem Houk gefiel, dass die einzelnen Versatzstücke so ein krudes und doch stimmiges Gesamtbild ergeben.

Das wehmütige Wide As Heaven reflektiert die Ambivalenz von Nostalgie, die Geborgenheit und Schönheit, aber auch Trauer beinhalten kann (“Why does heaven make me feel so sad / Why does heaven never notice”). Das Album endet mit einer hoffnungsvollen Note, dem starken, fast sieben Minuten langen To Get It Right, das Houk zufolge die Schwere des Albums etwas anheben und mit einer feierlichen Erklärung von Kraft und Optimismus enden sollte; der Weg mag schwierig sein und es mag Hürden geben, aber am Ende werden wir das Richtige tun. Eine perfekte Botschaft und ein perfektes Album für die kommenden lauen Sommernächte.

Phosphorescent – Revelator
VÖ: 5. April 2024, Verve
www.phosphorescentmusic.com
www.facebook.com/Phosphorescentmusic

Phosphorescent live:
24.08.24 Berlin, Frannz Club

YouTube video

Tamara Plempe

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