VAMPIRE WEEKEND – Only God Was Above Us


Foto-© Michael Schmelling

Painted white, new in town
You weren′t hiring, but I was looking
In those days, my working days
Came in from Jersey, not from Brooklyn

Oh, my love, was it all in vain?
We always wanted money, now the money’s not the same
In a quiet moment at the theater, I could hear the train
Deep inside the city, your memory remains

Mary Boone, Mary Boone
I′m on the dark side of your room
Mary Boone, Mary Boone
Well, I hope you feel like loving someone soon

(Vampire Weekend – Mary Boone)

Genialer Albumtitel schon mal: Only God Was Above Us heißt die fünfte Studioplatte von Vampire Weekend, und man kann sich die Freude von Band-Boss Ezra Koenig lebhaft vorstellen, dem dieser auf einer Zeitungsschlagzeile beruhende Satz auffiel, der ja irgendwie an die “Populärer als Jesus”Beatles erinnert. Dass die Band aus New York “nur noch Gott über sich” dulden muss, ist natürlich pure Ironie, denn Vampire Weekend haben trotz großer Erfolge bei Kritikern und Tonträgerkäufern ja nie die Pop-Weltherrschaft erreicht, die man ihnen nach dem selbstbetitelten Debüt zugetraut hatte.

Dafür kamen ihre Veröffentlichungen (2008, 2010, 2013, 2019, 2024) zu sporadisch, und ihre Schlaumeier-Musik war wohl auch – trotz etlicher toller Melodien – nicht massentauglich genug. Only God Was Above Us dürfte daran nicht viel ändern. Die Pop-Experten werden über die mit smarten Ideen bis zum Rand gefüllten (manchmal schon überfüllten) zehn Lieder jubeln, und bisherige Fans können sich bestätigt fühlen, dass Ezra Koenig, Chris Baio und Chris Tomson alias Vampire Weekend eine geniale Band sind. Aber viel mehr wird nicht passieren.

Wieder gelingt den drei mittlerweile um die 40 Jahre alten, weiterhin jugendlich wirkenden/klingenden Musikern grandios der Brückenschlag zwischen Electro-, Piano- und Chamber-Pop, Afrobeat, New-Wave-Energie (Gen-X Cops), Dub-Reggae mit HipHop-Beats (The Surfer) sowie freejazzigem Saxofon-Gehupe (etwa in Classical). Und Koenig singt dazu mit seiner alterslosen Paul Simon-Stimme, deren Gute-Laune-Ausstrahlung die teils düsteren Texte konterkariert.

“Inspiriert und verfolgt vom New York des 20. Jahrhunderts, wurde das Album auf der ganzen Welt aufgenommen, von Manhattan über Los Angeles bis London und Tokio”, teilt uns die PR-Abteilung von Columbia etwas rätselhaft mit. Aber klar, die Big Apple-Atmosphäre ist auch auf Only God… wieder spürbar, die Songs sprühen nur so vor grenzenloser, faszinierender NYC-Weltläufigkeit. Connect oder Mary Boone etwa sind Wunderwerke der Inspiration, des Einfallsreichtums – hier passiert in fünf Minuten mehr als bei anderen Musikern auf einem ganzen Album, ohne dass diese Tracks überladen oder gar nervig sind. Man wundert sich mal wieder, wo Hauptsongschreiber Koenig und Stammproduzent Ariel Rechtshaud all diese herrlich schrägen Ideen herholen.

Wer sich darüber hinaus fragt, warum Vampire Weekend so lang gebraucht haben mit einem Nachfolger für Father Of The Bride von 2019 (Charts-Platz 1 in den USA und Grammy-Gewinner) – gut Ding wollte Weile haben, die Anfänge von Only God Was Above Us reichen also bis in dieses Jahr zurück, als Koenig den Großteil der Texte schrieb. Und dann benötigte man eben nochmals fünf Jahre, um komplexe, verästelte Lieder wie die bereits genannten oder Ice Cream Piano und Capricon mit allen hübschen, schlauen Details auszustatten, die einen perfekten Vampire-Weekend-Song ausmachen.

Der Albumhöhepunkt The Surfer etwa ist dermaßen raffiniert zusammengebastelt mit seinen prächtigen Piano- und Streicher-Harmonien, dem coolen Rhythmus und der markanten James-Bond-Soundtrack-Fanfare, dass sich die Frage schnell erübrigt, warum es bei Vampire Weekend wieder so (viel zu) lange gedauert hat. Jetzt von einem Opus magnum zu sprechen, ist angesichts der Klasse der vier Vorgängeralben vielleicht übertrieben – auf jeden Fall aber ist auch Only God Was Above Us ein meisterliches Werk, das den makellosen Katalog dieser Band dauerhaft zieren wird. Und was kann es Schöneres geben als eine Platte aus den tief gespaltenen, dem erneuten Trump-Irrsinn entgegentaumelnden USA, die mit dem Titel Hope endet?

Vampire Weekend – Only God Was Above Us
VÖ: 05. April 2024, Columbia/Sony
www.vampireweekend.com
www.facebook.com/VampireWeekend

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Werner Herpell

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