JESSICA PRATT – Here in the Pitch


Foto-© Samuel Hess

Life is, it’s never what you think it’s for
And I can’t seem to set it off
And lately I’ve been insecure
The chances of a lifetime might be hiding their tricks up my sleeve
Used to be the greatest, now I see

Time is time and time and time again
(And what would you say if you can’t get out of here?)
Time is time and time and time again
(To make your escape you’ve captured the captor’s fear)

(Jessica Pratt – Life Is)

Ein perfektes (wenn auch leider arg kurzes) Kopfkino-Album hat Jessica Pratt da gemacht. Man kann den Pazifischen Ozean an der US-Westküste bei diesen neun Songs fast im Hintergrund rauschen hören und die warme kalifornische Abendsonne vor sich untergehen sehen, ja auf der Haut spüren. Die 37-jährige US-Sängerin, Songwriterin und Gitarristin verbeugt sich mit Here In The Pitch vor ihrer Wahlheimat Los Angeles und einigen legendären Pop-Platten, die dort in den 60er Jahren entstanden (und zugegebenermaßen ebenfalls oft nicht mal eine halbe Stunde Spieldauer hatten).

Vor allem jener verschrobene, den Strand meidende Beach Boy, der die “pocket symphony” erfand, hat es der 37-jährigen Sängerin und Gitarristin angetan: “‘Pet Sounds’, and Brian Wilson’s production style, I guess that’s always a North Star for me”, sagte Pratt kürzlich dem UK-Musikmagazin Uncut, das ihre vierte Solo-Veröffentlichung in der Mai-Ausgabe zum Album des Monats kürte. Aber auch den Scott Walker der mittleren Sixties zitiert sie auf Here In The Pitch (besonders im Opener Life Is, der zugleich an Phil Spector erinnert), außerdem The Mamas & The Papas, Carole King, und gleich mehrfach den Bossa-Nova-Sound von Astrud Gilberto und Antônio Carlos Jobim.

Wegen ihres außergewöhnlichen Gesangs – ein zum Mädchenhaften tendierender, schwereloser, sehr berührender Vortrag – sind die neuen Pratt-Lieder gleichwohl nie nur wohlklingende Hommage, sondern eigenständige Kunstwerke. Mit Pauken, Glockenspiel, Baritonsaxophon und Flöte werden ihre Akustikgitarre und die zarten Vocals zu einer veritablen Wall Of Sound aufgepumpt. Hinter dem tollen Klangbild stehen Pratts Ehemann Matt McDermott und der bewährte Produzent Al Carson, hinzu kamen Studio-Asse wie Mauro Refosco (Percussion) und Ryley Walker (Gitarre). In den Texten geht es freilich nicht so sonnig-sommerlich zu: “I became obsessed with figures emblematic of the dark side of the Californian dream while making this record”, sagt Jessica Pratt und meint damit auch das düstere Ende der Hippie-Ära.

Bei aller Zustimmung zu der wunderbar träumerischer Vokal-Performance und der samtigen Retro-Produktion von Here In The Pitch – mit nicht einmal 28 Minuten Spieldauer ist das Vergnügen zeitlich dann doch arg begrenzt, die Wartezeit von fünf Jahren seit dem Vorgänger Quiet Signs dafür sehr lang. “I never wanted it to take this long. I’m just a real perfectionist”, sagt die in San Francisco geborene Musikerin zur üppigen Entstehungszeit des kompakten Albums (de facto eher eine EP) vom Sommer 2020 bis zum Frühjahr 2023. “I was just trying to get the right feeling, and it takes a long time to do that.” Akzeptiert. Aber nur weil das Ergebnis so schön ist.

Jessica Pratt – Here In The Pitch
VÖ: 03. Mai 2024, City Slang
www.jessicapratt.net
www.facebook.com/jessicalynnpratt

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Werner Herpell

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